Elchjagd in Kamtschatka

Begleiten Sie Jens Ulrik Høgh auf das größte Abenteuer seines Jägerlebens - eine Elchjagd in Kamtschatka.

Eine Elchjagd in Kamtschatka ist keine reguläre Elchjagd. Es muss mit eisigen Temperaturen gerechnet werden und die Jagd stellt höchste Ansprüche an den Jäger und seine Ausrüstung. Diese Jagdreise geht in die vollkommene Wildnis und lässt mit außergewöhnlichen Strapazen auf sich warten, die sich aber am Ende des Tages mehr als lohnen.

Gestrandete Fähren

Es war bereits Ende November und der russische Winter zeigte uns seine eiskalte und bissige Seite. Durch die gefühlte Weltreise über 11 Zeitzonen hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Seit nahezu drei Tagen waren wir im Pick-Up unterwegs und hielten schließlich an den Ufern des Flusses Kamtschatka, welcher in einer waagerechten Ausrichtung quer durch die Landschaft der russischen Halbinsel schneidet. Geplant war die Überfahrt mit einer kleinen Fähre, welche nicht mehr als zwei Autos pro Fahrt über den Fluss bringen konnte. Allerdings können feste Pläne in Russland schnell über Bord geworfen werden, denn die Fähre lag regungslos etwa 20 Meter vor dem Beladungspier und machte keine Anstalten sich zu nähern. Ohne weiteres Fachwissen, war es unschwer zu erkennen, dass das kleine Schiff auf Grund gelaufen ist. Die Windschutzscheiben der geladenen Autos waren komplett zugefroren, zweifelsohne standen sie dort schon die ganze Nacht. Unser Jagdreiseveranstalter, Yevgenij, welcher uns in das Revier bringen sollte, schüttelte nur kurz den Kopf und machte sich dann auf, das Problem zu beheben.

Verschwendete Zeit

Eine alte Frau und ihr mittelalter Sohn angelten zeitgleich Lachs durch kleine Eislöcher am Flussufer, die sie zuvor gebohrt hatten. Sie bewegten sich furchtlos über die Eisschicht, obwohl bereits wenige Meter hinter ihnen der reißende Fluss begann. Es dauerte auch nicht lange, bis sich eine kleine Menschentraube am Ufer gebildet hatte um die Bergung der gestrandeten Fähre zu beobachten. Die eigentliche Bergung erfolgte dann schließlich auf die russische Art, in dem ein schwerer LKW eine Planierraupe an das Ufer lieferte. Ein besonders mutiger Russe musste mit einem kleinen Schlauchboot in Richtung des gestrandeten Schiffes paddeln, um dort ein schweres Seil zu befestigen. Im Anschluss daran zog die Raupe nahezu anderthalb Stunden an der Fähre und schließlich gelang die Bergung doch noch. Es stellte sich heraus, dass die beiden Autofahrer auf der Fähre bereits seit mehr als zwei Tagen auf dem Schiff festsaßen. Für uns war leider jede Hoffnung verloren, den Fluss an dieser Stelle zu überqueren, denn die Fähre saß jetzt noch tiefer im Schlick fest und konnte nicht mehr bewegt werden. Insgesamt hatten wir nun drei Stunden kostbarer Zeit auf der Elchjagd in Kamtschatka verschwendet.

Elchjagd in Kamtschatka – Auf die russische Art

Yevgenij dachte allerdings in keinem Moment ans Aufgeben. Nachdem wir noch einmal eine Stunde in der beißenden Kälte gewartet hatten, sahen wir auf der Gegenseite des Flusses einen riesigen, sechsfach-bereiften russischen Militär-LKW, der auf seiner Ladefläche ein kleines Boot aus Aluminium transportierte. Mehr oder weniger sanft wurde das Boot zu Wasser gelassen und zur Abfahrt vorbereitet. Ein paar weitere Minuten vergingen, als das Boot uns schließlich entgegen schipperte. Über Stunden hinweg fuhr das Boot nun hin und her um unsere Ausrüstung zu transportieren. Meine Mitjäger und ich waren gleichzeitig sowohl skeptisch als auch beeindruckt als uns bewusst wurde, dass die Russen gerade beschlossen hatten, ihre Schneemobile ebenfalls auf dem kleinen Aluboot über den Kamtschatka zu transportieren.

© Jens Ulrik Høgh
© Jens Ulrik Høgh

Kleine und große Schneemobile

Vasili, einer unserer Guides, war der stolze Besitzer eines kleineren Schneemobils und dementsprechend wurde beschlossen, dass dieses den Fluss zuerst queren sollte. Entgegen unserer Erwartungen schafften es die Russen tatsächlich das Schneemobil - mehr oder weniger sanft - in das Boot zu betten. Am Ende schafften es sogar noch zwei zusätzliche Personen mitzufahren und die wertvolle Fracht zu stabilisieren. Als das Boot das andere Ufer erreichte, brach eine kleine Jubelwelle unter den anwesenden Russen aus. Die Freude und Zuversicht wuchs weiter, als es sogar das größte Schneemobil unbeschadet über den Fluss schaffte. Im Anschluss waren wir an der Reihe den Fluss zu queren. Mir war sofort bewusst, dass ein Mensch nicht lange in den eiskalten Gewässern überleben würde. Dennoch ging die Überfahrt zu meiner Überraschung relativ problemlos vonstatten und wir kamen glücklicherweise heil am anderen Ufer an.

Russische Geländegefährte

Mein Reisebegleiter schnappte sich den letzten freien Sitz auf der Ladefläche des Militär-LKWs und ich musste mich in eine kleine Nische kauern. Zwischen Benzinkanistern, mehr oder weniger gefrorenem Lachs und großen Mengen Knoblauch machte ich es mir so gemütlich, wie die Umstände es zuließen. Zuletzt wurden noch zwei große Spitzhunde eingeladen, die es sich sofort auf uns gemütlich machten. Im Anschluss wurden schließlich die großen, rostigen Türen des LKWs zugeschmissen und somit begann der nächste Reiseabschnitt.

Abenteuer in der Luft

Es waren bestimmt -10 Grad Celsius auf der Laderampe des LKWs und die Fahrt wurde dadurch nicht gerade angenehmer. Der Motorenlärm verhinderte jede ambitionierte Unterhaltung und es drang nur wenig Licht durch einige Schlupflöcher im Dach. Dennoch konnte ich mir das Lächeln nicht verkneifen. Ich war auf einer Jagdreise und es lag Abenteuer in der Luft – was wollte ich mehr?

© Jens Ulrik Høgh
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Elchjagd in Kamtschatka – Essen und Wodka

Nach einer Stunde Fahrt hielten wir an und kurze Zeit später wurden die Türen aufgeworfen. Die Nachmittagssonne stand niedrig über dem Horizont und es war bitterkalt. Wir erreichten ein kleines Dorf, welches bei näherem Betrachten - durch verwaiste Häuser - einer kleinen Geisterstadt ähnelte. Ein älteres Pärchen begrüßte uns und kurze Zeit später genossen wir bereits die regionale Küche. Deftiges Essen wurde zusammen mit regionalem Wodka in großen Mengen an den Tisch gebracht und anschließend genüsslich verspeist. Allerdings lag noch eine längere Wegstrecke vor uns, von daher war dies nur ein kurzer Halt. Einige Augenblicke später fand ich mich auf der kalten Laderampe des LKWs wieder. Mittlerweile war es draußen dunkel und die Temperatur war auf -20 Grad Celsius gefallen.

© Jens Ulrik Høgh

Genau dafür gebaut

Die Straßenzustände wurden immer schlechter und sehr bald war klar, dass wir eher auf Pisten für Schneemobile fuhren als auf Straßen, die für Autos gebaut wurden. Der LKW wogte auf der „Straße“ hin und her, wie ein Fischerboot auf unruhiger See. Im Innenraum hörte man nur laute, nicht zu bändigende Motorengeräusche, die immer wieder durch, an der Außenseite des LKWs kratzende Äste, unterbrochen wurden. Der LKW tat genau das, wofür er damals gebaut wurde – sich mit brutaler Kraft seinen Weg durch die russische Wildnis zu schlagen. Ich schloss meine Augen und konnte tatsächlich in dieser ungemütlichen Umgebung, nach den Strapazen der bisherigen Reise einschlafen. Zwei Stunden später wachte ich schlagartig durch andersklingende Geräusche auf. Wir fuhren gerade durch hüfthohes Wasser und die unangenehmen Geräusche mussten durch Eisschollen entstanden sein, die gegen den Rumpf des Gefährts schlugen. Auf der anderen Seite des gequerten Flusses angekommen, arbeitete sich der LKW weiter durch die russischen Wälder. Plötzlich breitete sich in mir, durch die schauklige Fahrt, ein bereits bekanntes Gefühl aus – ich wurde seekrank.

Lange Fahrten

Die Zeit verging langsam und mir wurde immer übler auf der Fahrt. Plötzlich wurde ich aus meinem Unwohlsein gerissen, als ich ein sehr vertrautes Geräusch vernahm, welches wohl jeder Hundebesitzerkennt. Das Geräusch eines Hundes, der kurz davor stand, sich zu übergeben. Dieser Hund saß zu diesem Zeitpunkt leider auf meinem Schoß. Bevor ich es verhindern konnte, übergab der Hund sich auch genau dort. Durch ein lautes Klopfen signalisierte ich dem Fahrer, bitte kurz anzuhalten. Die Gruppe nutzte diese willkommene Gelegenheit, eine kurze Pause zu machen. Ich nutzte sie, um meine Hose zu wechseln. Vorsichtig fragte ich den Fahrer, wie lange wir denn noch zum Camp bräuchten. Die trockene Antwort: etwa drei Stunden. Zu meiner Überraschung hatte der Fahrer allerdings ein Allheilmittel zur Hand, gegen jede Übelkeit: Wodka! In meiner Verzweiflung nahm ich einige Schlucke und fühlte mich danach tatsächlich besser. Dem Wodka sei Dank. Nach ca. drei Stunden erreichten wir nun endlich das Camp, in etwa 150 Kilometern zu den nächsten Nachbarn.

© Jens Ulrik Høgh
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-26 Grad Celsius

Am nächsten Morgen der Elchjagd in Kamtschatka wachten wir inmitten einer traumhaften Schneelandschaft auf. Die Temperatur war weiter gefallen, auf ca. -26 Grad Celsius. Die ungefähre Schneehöhe betrug 1,5 Meter. Das Camp bestand aus einigen Holzhütten, in einem großen Tal gelegen. In dem Camp gab es beeindruckend viele Jagdhunde, die jederzeit bereit waren, um auszurücken. Wenige hundert Meter vom Camp entfernt war ein kleiner Fluss, welcher zu meinem Erstaunen noch nicht zugefroren war. Im Hintergrund türmten sich beeindruckende, noch aktive, Vulkane auf. Wir waren wirklich im Herzen der Wildnis angekommen. Diesen angebrochenen Tag nutzen wir nun um unsere Ausrüstung für den morgigen Jagdtag auf Vordermann zu bringen.

© Jens Ulrik Høgh

Gnadenlose Kälte in Russland

Am folgenden Morgen fand ich mich auf einem Schneemobil wieder. Die Jagdgründe waren in etwa 50 Kilometer vom Camp entfernt. Hier spürte ich die Kälte am schlimmsten. Ohne Zweifel sind -30 Grad Celsius ohne Wind eine andere Sache als bei der Fahrt auf einem Schneemobil. Obwohl ich meine Ausrüstung speziell der Kälte angepasst hatte, spürte ich dennoch wie diese an ihre Grenzen stieß. Die russische Kälte ist wirklich gnadenlos.

Erster Anblick

Den ersten Nachmittag verbrachten wir mit dem altbewährten Abfährten. Auf unserer Pirsch sahen wir einige Kühe und junge Bullen – zu jung, um sie zu schießen. Nachts schliefen wir in einer kleinen Hütte mitten in der Wildnis. Diese 15 Quadratmeter mussten nun zu sechst geteilt werden – nicht gerade einfach mit der gesammelten Ausrüstung. Am nächsten Morgen hatten wir leider auch kein Jagdglück. Das anschließende Mittagessen nahmen wir auf einem Hügel zu uns, von dem aus die Umgebung abgeglast werden konnte. Nach dem Mittagessen fand einer der Jäger, mehr oder weniger zufällig, Fährten von drei ausgewachsenen Elchen und wir begannen sofort die Verfolgung aufzunehmen. Die Route, die die Elche genommen hatten war für uns und die Schneemobile eine echte Herausforderung. Dennoch schafften wir es, einigermaßen aufzuschließen.

© Jens Ulrik Høgh
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Schnelles Handeln in Kamtschatka

Die Abmachung war, dass mein Jagdreisekumpane den ersten Schuss bekommt. Dementsprechend übernahm sein Schneemobil die Führung. Plötzlich hielt er abrupt an und lud seine Büchse – er muss wohl ersten Anblick gehabt haben. Ein paar Meter weiter hinten hielt ich mit meinem Jagdführer an und bereitete auch meine Büchse vor. Just in diesem Moment brach bereits der erste Schuss. Nun gingen wir dem Schützen weiter entgegen, um zu sehen, was genau vor sich ging. Aus dem besseren Blickwinkel sahen wir nun drei starke Elchhirsche, welche einen Hügel herauf flüchteten. Mein Jagdführer deutete mir auf den mittleren der drei und ich versuchte eben diesen in das Absehen zu bekommen. Genau in dem Moment brach ein zweiter Schuss, der Elch, den ich gerade im Visier hatte brach sofort zusammen. Ich war froh, den Schuss nicht genommen zu haben, denn dies war genau der Elch, den mein Kumpane zuerst beschossen hatte.

Kein Gefühl in den Händen

Die beiden übrigen Elche waren nun flüchtig und eine kurze Absprache zwischen meinen beiden Jagdführern reichte, um mir zu signalisieren, dass ich wieder aufsitzen sollte. Da ich in dieser Hektik meine Handschuhe vergessen hatte, konnte ich meine Hände aufgrund der Kälte nicht mehr fühlen. Kurz bevor es zu spät war, hielt mein Jagdführer den Schlitten abrupt an. Ich stürzte mich mit aller Kraft vom Schneemobil und griff nach meiner Sicherung. Bis ich die Waffe entsichert hatte, brauchte es einige Augenblicke – ohne Gefühl in den Fingern stellt sich dies als erstaunlich schwierig heraus. Mein Jagdführer stupste mich indes aufgeregt an und deutete auf eine kleine Tannenschonung. Nun sah ich das dunkle, riesige Etwas, welches gerade in unsere Richtung sicherte. Ich entschloss mich zu einem eher ruckartigen Ziehen des Abzugs, da ich den Druckpunkt ohnehin nicht hätte spüren können. Ohne weiter lange nachzudenken ließ ich fliegen und traf den Elch hochblatt. Der Elchhirsch brach sofort im Schuss zusammen und ich hatte mir gerade mit einem einzigen Schuss meinen Kindheitstraum erfüllt.

Ein großes Abenteuer

Die anschließende Stille auf der Elchjagd in Kamtschatka war unbeschreiblich. Wir hielten einige Zeit inne, als wir uns dem majestätischen Tier näherten. Insgesamt kamen die beiden Elche auf ein reines Wildbretgewicht von 800 Kilogramm. Dieses Wildbret wurde nun unter den Einheimischen aufgeteilt. Eine Elchjagd in Kamtschatka ist zweifellos keine konventionelle Jagdreise – es ist ein wahrhaftiger Ausflug in die unberührte Wildnis Russlands und eine unendliche Lebenserfahrung, die ich jedem nur empfehlen kann.

© Jens Ulrik Høgh
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