Gamsjagd in Osttirol

Die Sehnsucht nach einer zünftigen Bergjagd auf Gamswild ist in den heimischen Revieren stets groß gewesen.

Gamsjagd in Osttirol auf weißem Schnee, die Brunftwittrung steht in der Luft – und alles in atemberaubender Bergkulisse. Jägerherz, was willst du mehr? Begleiten Sie Bertram Graf Quadt, und Sie werden sehen: Mehr geht nicht!

Im Berg aufwachen

Einmal im Berg auf der Gamsjagd in Osttirol aufwachen. Wer das nicht erlebt hat, wer das nicht gesucht hat, dem fehlt viel mehr, als er ahnt. Das Bett ist nicht weich und grade um die Jahreszeit der Gamsbrunft auch nicht mehr sonderlich duftend. Durch die Ritzen der Bretterwände, durch die Fugen der Fenster kriecht die Kälte, und ist die Glut im Ofen auch treulich bewahrt worden, so ist die Hütte doch eisig am Morgen, und da, wo der Atem auf den Schlafsack oder in meinem Fall die zusätzliche Lodenkotze traf, hat sich eine feine Schicht weißer Kristalle gebildet. Aber draußen strahlte ein blitzblauer Himmel mit nur ganz wenigen Wolkenfetzen darin, und die Berge blendeten in strahlendem Weiß. Gamsjagd ist Tagjagd. Das ist das Schöne daran.

Schmerzende Glieder auf der Gamsjagd in Osttirol

In der Stubenkuchl oder Kuchlstube rumorte der Jager, und sein Gebirgsschweißhund, der nächtens den Platz vorm Ofen klammheimlich mit dem Fußende meines Kreisters vertauscht hatte, kroch – vorsichtig in Richtung Stubentür spitzend – unter meinen Decken hervor, streckte sich und tapste dann mit gekonnt unschuldigem Blick zu seinem Herrl. Ich tat es dem Hund gleich, schälte mich aus meinem Bett, nuschelte ein „Guten Morgen“ in Richtung Stube und reckte meine schmerzenden Glieder. Der Aufstieg zur Hütte hatte gestern den ganzen Nachmittag gebraucht, denn mit dem Auto ging es nicht allzu weit hinauf. Der Rest des Weges wollte gegangen sein, und der Schnee hatte die Bergfahrt nicht eben einfacher gemacht. Ich trat vor die Hüttentür, steckte meinen Kopf einmal tief in den weißen Pulver und war mit einem Schlag so wunderbar wach, wie mir das im Tal nur ganz selten gelingt.

Ahab und der Schamberger

Drinnen in der Stube saß der Schweißhund mit tief gerunzelter Stirn neben dem Herd, auf dem das klassische Hüttenfrühstück vulgo Eierspeis’ im ausgelassenen Speck vor sich hin duftete. „Nix gibt’s!“, beschied der Herr dem Hund, und zu mir gesagt: „Sinscht wird d’r ‚Ahab’ decht a weng wampert. “Nun ist „Ahab“ sicher kein alltäglicher Hundename, aber dass die Herren Hunde im Berg recht gern biblisch benamst werden, das wusste ich schon von früher her: der Hund des Jagers, der mich auf meinen besten (und völlig unverdient erjagten) Gamsbock führte, hieß Aaron. Und wampert war er ebenfalls. Wampert bin auch ich als Bürohengst, schlank und drahtig war hier oben nur mein Jager. Dafür war sein Name auch eine gewisse Besonderheit.

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Mangelnder Handyempfang

Der Jagdherr, der mich hierher nach Osttirol geladen hatte, hatte mir zwar die Telefonnummer des Jagers gegeben, aber dass der Handyempfang in den engen Tälern nicht so wirklich gut war, das hatte er mir nicht mitgeteilt. Und so fragte ich mich – nur den Familiennamen meines Jagdführers kennend – durch. Einfach war das nicht, denn der Familienname kam in der Gegend so gut wie flächendeckend vor. Erst ein Wirt weit hinten im Tal konnte mir helfen, denn nach Beschreibung des Jagers und Nennung des Jagdherrn ging das Licht an: „D’r Herr suach’n in Schamberger!“ Nun wusste ich zumindest, dass ich den Schamberger suchte, denn im Gebirg denkt man eher in Haus- denn in Familiennamen, und das Höfe des Jagers lag eben am Schamberg.

Berge und der Aufstieg

Der Hof lag jetzt weit unten im Tal, und der Schamberger stand mit mir vor der Hütte und erklärte mir das atemberaubende Bergpanorama, das sich uns an diesem gleißend hellen Morgen im späten November bot. Weißspitz, Rotspitz, Daberspitz, hinten der Großvenediger: „Und weiter drob’n isch dann der Großglockner auch zum sehn.“ Ich hoffte inständig, dass es soweit hoch nicht gehen würde, denn der Schnee hier unten bei der Hütte lag hoch genug, und die Wände waren steil. Der Schamberger spurte voran, der wamperte Ahab hüpfte hinterdrein, und ich watete so gut es halt gehen mochte in der Spur bergauf.

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Langwierige Steigerei

Nach einer halben Stunde der Steigerei auf der Gamsjagd in Osttirol drehte sich der Jager um: „S’isch nimmer gar weit. Drob’n hinter die Latschen geht es ins Kar hinein. Da hat der Wind in Schnea vom Gras g’weaht, do wer’n die Gams sein.“ Als wir endlich droben waren, war ich heilfroh, denn das, was mein Schamberger als „nimmer gar weit“ bezeichnet hatte, das waren denn doch noch eine gute ein und eine halbe Stunde zähen Gehens. Aber endlich hatten wir das breite Feld der Latschenkiefern, die mir der Jager von unten her bezeichnet hatte, umgangen und standen am Eingang zu einem breiten Tal. An zweihundert Schritt weit war der Talboden, aber links und rechts stieg es zu den Graten gute tausend Meter hoch an.

Gams und der Jager

Es war schon später Vormittag auf der Gamsjagd in Osttirol, als wir in diesem Kar anlangten, die Sonne stand in unserem Rücken und leuchtete Schatt- wie Sonnseite aus. So wie der Wind hier weht, nahm es denn nicht weiter Wunder, dass wir auf der westlichen Seite deutlich oberhalb des Talbodens schwarze Punkte sahen. Der Schamberger setzte sich hinter einen Felsblocken hin und packte sein Spektiv aus. „Zubizahrer“ nennt man dieses Sehrohr hier im Berg, weil es weit Entferntes heran („zubi“) zieht („zahrt“). Ich schleppe ein solches optisches Instrument grundsätzlich mit mir, sei es in den sanften Hügeln Englands oder dem Flachland der oberrheinischen Tiefebene. Nur: dem Schamberger erklärte das Bild ungleich mehr als mir.

Der leibhaftige Teufel

Ich sah nur schwarze Gams, die sich gegenseitig über die Wand hin- und herteufelten. Ja – teufelten, denn schau Dir, lieber Leser, so einen Gams in der Brunft einmal an: ein besseres Bild der Teufelei wirst Du schwerlich finden. Schwärzer als feinster Marmor von der Lahn steht der Bock oben in den Wänden, hell ist nur noch sein Gesicht. Sein steil aufgestellter Bart weht und wogt im Bergwind, unbestreitbar ist er Herr seines Gewanns. Es ist da ein Lied in den Bergen, das auf Eid beschwören lässt, dass es kein lustigeres Leben gäbe als das des Gamsjagers, und darin heißt es: „Siags’t nit, wia’ra steht, wia’ra schaugt: wia der leibhaftige Teuf’l so wild!“

Club und der Sessel

Grade so stand der starke Bock da oben auf dem kleinen Grat. Der Schamberger hatte sich schon beim ersten Anblick hinter das Felsköpferl gehaut, und ich sank dankbar daneben in die weiße Pracht, darin ich so bequem saß, als wäre es der weichste und beste Sessel in einem hochnoblen Club in St. James’s zu London. Das gute lodene Zeug hielt mich warm, die dicken Walkgamaschen wärmten mir die Beine und die wollenen Hosen waren so wasserdicht, wie man es nur wünschen konnte. Dass der Bock droben auf dem Grat alt war und gut, das konnte auch ich als wenig gamserfahrener Jäger sehen: breit, offen und dick verpecht standen seine Schläuche auf dem Haupt bei guter Hakelung, wie eine dicke und lange Walze erschien sein Rumpf, die Keulen ecken waren nicht mehr zu erkennen und die Zügel in seinem Gesicht waren bereits durch die charakteristische weiße Stelle direkt vor dem Licht durchbrochen. Ob er nun neun, zehn oder mehr Jahre hatte, das konnte ich nicht erkennen, aber passend war er und „Passt, richten!“ raunte mir der Schamberger auf der Gamsjagd in Osttirol zu.

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Alles stehen und liegen lassen

Ich fischte eine Patrone zu meiner 7x65 R aus meiner Joppe, ließ sie ins Lager der Ferlacherin gleiten, klappte die Büchse leise zu und meldete dem Jager mein „Fertig!“ „Langsam, da ischt noch was!“ Richtig, es zog in dem Moment ein Rudel Scharwild um die Schulter unterhalb des Grats herum in unsere Wand und richtete sich dort häuslich ein. Dort oben unter den Schrofen hatte der Südwind das Mattengras freigelegt, dort taten sich die Gaißen mit ihren Kitzen samt den schwächeren Beiböcken gütlich. Eine der Damen hatte sich der alte Herr da oben auf dem Grat sichtlich ausgeschaut: ein Kurzes noch stand er da, dann tat er sich blädernd zu der Gaiß, die offenbar brunftig war, herab. Fast tapsig folgte er der Wittrung der Dame, stets das Haupt vorgereckt, die Steilheit der Wand nicht achtend – nein, er ließ sogar ein ums andere Mal seinen Tritt fehlgehen und glitt endlich in einer weißen Wolke die letzten Meter zu seiner Dulcinea hinunter. Sind wir Menschenmänner nicht genauso und lassen um einer vermeintlichen Weibsbeute willen alles liegen und stehen?

Verfolgung und das Ende

Nun hatte aber dummerweise einer der jüngeren Böcke in der Schar just den gleichen Gedanken und stieg seinerseits zu der Gaiß hinauf. Mit einem Mal verwandelte sich der tapsige Hochzeiter vom gesetzten Altbock in einen schneidigen Raufer und sprang auf den jungen Bock herunter: ein Satz war es nur, der ihn satte zehn Höhenmeter tiefer brachte, direkt neben seinen Rivalen, der umgehend sein Heil nimmer im Weib, sondern in der Flucht zu finden trachtete. Schon ging es quer und im tiefen Pulver weiß aufstaubend durch die Wand. So wie ein Tänzer die Erde nicht mehr berührt, sondern mit seinen Zehen gerade noch prüft, so setzten die beiden Böcke durch das unwegsame Gestein. Gleich lag eine kleine, senkrechte Wand dazwischen, die der Gejagte mit einem Sprung sicher nahm.

Der Schuss brach auf der Gamsjagd in Osttirol

Der Jäger setzte ein einziges Mal in der Senkrechte mit den Vorderläufen auf und sprang danach so in die Weite hinaus, als wollte er auf dem Rücken des Verfolgten landen. Der junge Bock tat eine gewaltige Flucht nach vorne, kam auf halbwegs ebenem Grund auf die Läufe, schnellte sich aus diesem sicheren Stand weit in die Luft, drehte sich im Sprung einmal um die eigene Achse und stand seinem Verfolger – für einen Wimpernschlag nur – gegenüber. Der aber setzte unvermindert auf ihn zu. Im Anfliegen senkte er Haupt samt Krucken und suchte in wildem Hakeln die Weichen seines Kontrahenten zu gewinnen. Der
Junge aber entwich dem todmeinenden Stoß und flüchtete panisch in die Weite des Kars hinaus. Schwer schnaufend stand der Sieger auf einem kleinen Grat, der Bergwind zauste seinen Bart, und laut bläderte der Bock in die Weite hinaus, grad so als stieße ein Hirsch in der Brunft den Kampfruf siegreich dem geschlagenen Gegner hinterher. Der Schamberger neben mir raunte mir zu: „Der Alte tät’ übrigens passen.“ Kurz nur noch dachte ich über das Gesehene nach, dann brach mein Schuss auf der Gamsjagd in Osttirol.

Vernatsch und die Nacht

Drei Stunden später saßen wir in den letzten Strahlen der Nachmittagssonne vor der Hütte. Der alte Bock aus dem Steilhang hing mit seinen Krucken an einem Zapfen, der aus der Hüttenwand hervorragte. Vor dem Jager und mir standen das, was ich für diesen Zweck eigens aus dem Tal heraufgetragen hatte: zwei kristallne Pokale, darin ochsenblutrot ein alter Vernatsch funkelte. Der Schamberger nahm einen tiefen Schluck, sah auf den Gams, trank erneut und blickte mich dann geradewegs an: „Es ischt mir schon guet, und bess’r wie dem Gams: wenn mir einer hinter dem Dirndle hersteigt, dann langt a g’sunde Watsch’n, und i muass nit den ganzen Talkessel weit hinterher.“ Der Vernatsch leerte sich langsam der Neige zu. Langsam, denn die Flasche war größeren Kalibers als die normale Bouteille. Die Sterne funkelten schon diamanten im sanftschwarzen Samtornament der Bergnacht, als ich mich in den Kreister schob. Neben meinem Bett winselte es leise. Ich hob die Decke, und Ahab wuchtete sich auf meine Beine. Einmal im Berg einschlafen. Wer das nicht erlebt hat, wer das nicht gesucht hat, dem fehlt viel
mehr, als er ahnt.

Reisetipps

  • Jagderlaubnis: Jagdkarte des jeweiligen Bundeslandes; besorgt der Veranstalter bzw. das Revier. Voraussetzung: gültiger Jagdschein des Heimatlandes.
  •  Waffeneinfuhr: Europäischer Feuerwaffenpass.
  • Einreise: Personalausweis oder Reisepass.
  • Ausrüstung: Gut eingelaufene Bergstiefel sind ein Muss. Leichte, atmungsaktive und Bewegungsfreiheit bietende Kleidung ist gefragt. Im Rucksack sollte stets ein Ersatzhemd und Fleece oder Pullover sowie Regenschutz (Zwiebelprinzip) mitgeführt werden. In den Tagesrucksack gehören zudem: Mütze, Handschuhe, Sonnenbrille und Lichtschutzcreme zu jeder Jahreszeit sowie Wasserflasche und Proviant. Ein leichtes Fernglas 8,5- oder 10-fach; Spektiv und Entfernungsmesser leisten gute Dienste.
  • Waffe: Ideal sind rasante, hochwildtaugliche Kaliber wie .270 WSM, 6,5x68 oder .300 Win. Mag., aber auch die 7x64 und .30-06 verrichten, entsprechend eingeschossen, ihren Dienst. Hoch vergrößernde Zielfernrohre sind von Vorteil, Lichtstärke ist unwichtig, da nur am Tage gejagt wird.
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