Steinbockjagd in Österreich

Begleiten Sie Anette Martens auf ihrem Weg, den Capra World Slam zu meistern. Diesmal auf einer packenden Steinbockjagd.

Eine Steinbockjagd in Österreich ist für viele Jäger ein Lebenstraum. Anette Martens konnte sich diesen auf dem Weg zum Capra World Slam verwirklichen. Begleiten Sie eine spannende Bergjagd auf den königlichen Steinbock in einem einzigartigen Panorama.

Exklusive Wildart

Der Alpensteinbock ist wohl die exklusivste Wildart Mitteleuropas. In Österreich werden nur rund 250 Stück jährlich erlegt, und für viele Jäger ist die Steinbockjagd in Österreich ein Lebenstraum. Kein Wunder, dass ich nicht zögerte, als mich meine Freundin Anette Martens fragte, ob ich sie auf ihrer Jagd begleiten wollte. Für sie sollte es die Nummer elf ihres Capra World Slams werden. Damit ist sie dicht dran, die erste Niederländerin und eine der nur Handvoll Frauen überhaupt in diesem ganz besonderen Jagdklub zu werden. Für uns beide wurde es eine der anspruchsvollsten Jagden des Jahres.

Nordlichter im Süden

Auf der Anreise begann es, bereits kurz hinter dem österreichischen Grenzübergang zu schneien. Die Flocken wurden mit jedem Kilometer, den wir uns den Bergen näherten, dicker. Mit dem schwindenden Tageslicht verschwand auch die Straße vollends unter einer weißen Decke. Anettes erster Versuch, wenige Wochen zuvor, auf einen Alpensteinbock zu jagen, endete im Straßengraben, darum legten 
wir die letzten Kilometer im Kriechgang zurück. Die Autoschlange hinter uns Nordlichtern wurde zwar immer länger, aber diesmal schaffen wir es unfallfrei bis ins Hotel Waldesruh. Als letzte Gäste des Jahres begrüßte man uns mehrsprachig und überschwänglich, aber sichtlich erstaunt. Die beiden Steinbockjäger hatte man sich offenbar anders vorgestellt. Kurz darauf gesellten sich die Jagdführer und Brüder Martin und Rudi Scheuchel zu uns. Sie hatten für Anette einen besonderen Bock ausgewählt mit gewaltiger Auslage und einer zu erwartenden Schlauchlänge von 90 Zentimetern. Eigentlich hatte es gar keine Lizenz mehr in diesem Jagdjahr gegeben, aber der eigentliche Gast hatte kurzfristig abgesagt. Die Jagdzeit sei glücklich gewählt, die Winterdecke voll ausgereift und das Steinwild aufgrund der Schneelage bereits in tiefere Gebiete abgestiegen – ideal also.

© Dr. Nina Krüger
© Dr. Nina Krüger

Eingeschneit

Die Gebrüder Scheuchel bewirtschaften ein etwa 4.000 Hektar großes Jagdgebiet 
in den niederösterreichisch-steirischen Kalkalpen, das sich aus einem Teil Eigenjagdbezirk und dazugepachteten Flächen zusammensetzt. Nur drei Abschüsse reifer Steinböcke stehen jährlich zur Verfügung, aber auch auf Gams-, Muffel- und Rotwild wird in dem Revier geführt, ebenso wie auf den Großen und Kleinen Hahn. Sie erzählen uns dann von ihrer Mutter, einer begeisterten Jägerin, die ihnen die Jagdpassion schon in die Wiege legte. Sie selbst war so engagiert, dass sie als erste Frau nach zehn Jahren als stellvertretende Hegeringsleiterin schließlich dessen Vorsitz übernahm. Die Dame dürfte demnach nicht nur passioniert, sondern auch hochgradig überzeugend gewesen sein, zu einer Zeit, als weibliche Jäger noch etwas Ungewöhnliches waren. Mit ihren über 20 Jahren Erfahrung im Führen von Jagdgästen und den außergewöhnlich starken Trophäen, die sie uns präsentierten, fühlten wir uns bei ihren Söhnen jedenfalls in guten Händen.

Unendliche Massen an Schnee

Wir konnten es nicht erwarten, in aller Frühe zum ersten Aufstieg aufzubrechen. Doch es sollte anders kommen, denn es wollte einfach nicht aufhören zu schneien. Aus wenigen Zentimetern wurde in der Nacht ein guter Meter Neuschnee, und es schneite weiter. Um sieben Uhr war klar, an diesem Morgen würden wir Kaffee trinken statt zu jagen. Auch am späten Vormittag schneite es weiter, und unser Mut sank. Mit jedem Zentimeter stieg die Lawinengefahr – ein Risiko, über das wir uns gar keine Gedanken gemacht hatten.

Trumpf im Ärmel

Mittags machte Martin dann unsere Hoffnungen endgültig zunichte. Mittlerweile schien zwar die Sonne, aber selbst wenn wir auf Schussdistanz an Wild kämen, wäre das spätere Bergen viel zu gefährlich. Die Aussichten für den nächsten Tag waren auch nicht besser. Anette war geknickt. Ihr letzter Versuch, einen Alpensteinbock zu erlegen, war gescheitert, die Jagdzeit war so gut wie vorüber und ihre niederländischen Mitbewerberinnen im World Slam dicht auf ihren Fersen. Ihr lief die Zeit davon, aber es war nichts zu machen. Mehr als auf sicheren Forstwegen so hoch auf den Berg zu kommen wie möglich, um wenigstens Wild in Anblick zu bekommen, blieb uns nicht übrig. So nett es im Warmen war, dafür waren wir keine 1.000 Kilometer gefahren. Dann zog Martin jedoch einen Trumpf aus dem Ärmel. Den ganzen Vormittag hatte er telefoniert, verhandelt und einen weiteren Bock in einem anderen Revier gefunden, auf den wir unser Glück versuchen konnten.

© Dr. Nina Krüger
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Kalkuliertes Risiko

In der Nacht schneite es zwar nicht, aber die Temperatur fiel auf Minus 14 Grad Celsius, und es wehte ein beißender Wind. Auch das war nicht ideal, denn weite Schüsse, besonders in den Bergen, sind bei Wind schwer zu kalkulieren. Lange vor dem ersten Licht brachen wir trotzdem Richtung Hochschwab auf, einem der besten Steinbockreviere Österreichs, in dem Berufsjäger Franz und der örtliche Steinbockbeauftragte, der auf jeder Steinbockjagd zugegen sein muss, auf uns warteten. Zwei Steinböcke im Revier entsprachen den Kriterien, einer hatte eine besonders dunkle Decke, der andere war von hellerem Braun. Beide sollten das Reifealter von zehn Jahren bereits überschritten haben und über sehr gute Trophäenstärken verfügen.

Steinbockjagd in Österreich – keine unnötigen Risiken

Wir packten unsere Sachen zusammen, kontrollierten Waffe, Optik und Munition und machten uns an den Aufstieg. Keine Freude, wenn ein normaler Erwachsener bis zu den Knien durch den Schnee stapfen muss, mir reichte er teils bis an die Hüfte. Im Schutzwald war noch kaum etwas vom Wind zu spüren, aber als wir an die erste Freifläche kamen, trieb er uns angefrorenen Schnee wie Nadelstiche ins Gesicht. Wir hatten es zuvor besprochen, wir wollten keine unnötigen Risiken eingehen. Sollte es einer von uns zu bedrohlich werden, würden wir auf den Abstieg bestehen, Steinbock hin oder her. Man hatte uns zwar versichert, dass Lawinenwarnstufe drei ein kalkulierbares Risiko sei, wenn man einen Lawinen-Piepser dabei hätte, aber keine von uns besaß eines der Geräte, das es im Notfall der Rettungsmannschaft erleichtern sollte, Verschüttete zu finden.

Vom Pech verfolgt

Als wir aus dem Wald traten, lag vor uns ein steiler Hang mit eingeschneiten Buchenverjüngungen, darüber eine Felswand. Kaum im Freien suchten wir die Wand mit den Ferngläsern ab. Ungefähr 400 Meter über uns standen zwei Geißen mit Kitzen. Über Funk meldete Martin, der vom Fuße den Berg mit dem Spektiv beobachtete, dass der schwarze Bock am selben Hang stand, für uns aber noch nicht sichtbar war. Anette machte sich fertig. Ein kleiner Felsen wurde vom Schnee befreit, eine .300 Winchester Magnum rutschte vom Magazin ins Patronenlager. Dann trat der Bock aus, ein gutes Stück unter den Geißen. Für einen Sekundenbruchteil war er im Anblick und verschwand dann wieder hinter einem Felsen. Der Brunftbetrieb war bereits in vollem Gange, und dieser Bock war dabei, sein Brunftrudel zu sichern.

Wichtige Ballistik

Die Distanz lag zwar noch über 300 Metern, aber Anette wollte die Absehenschnellverstellung auf ihrem Zielfernrohr schon auf diese Distanz einstellen. Aber nichts wollte sich bewegen. Sie hatte vor Abreise den Ring der Schnellverstellung gewechselt, und irgendetwas musste in der Eile beim Zusammensetzen schiefgegangen sein, denn jetzt rührte sich einfach nichts. Hier am Berg ließ es sich nicht beheben. Während die Geißen zu uns herunter sicherten, berieten wir. Die Waffe war auf 100 Meter Fleck eingeschossen, die Kugel fiel laut Ballistikrechner bis 200 Meter nur wenig, aber dann
auf den nächsten 100 Metern um drastische 30 Zentimeter. Ein Schuss bis 250 Meter auch ohne Absehenschnellverstellung schien uns schließlich nach eingehender Überlegung eine zu beherrschende Herausforderung zu sein, wenn man die Ballistik des Geschosses kannte und den Haltepunkt über das Blatt verlegte. Wir warteten, aber der Bock kam nicht mehr in Anblick. Über Funk gab Martin durch, er habe den Bock einige hundert Meter weiter an der nächsten Wand im Anblick. Wir mussten uns beeilen, wenn wir ihn einholen wollten.

© Dr. Nina Krüger
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Jägerherzen und Angst

Im Schutz alter Buchen stiegen wir weiter auf und folgten dabei der Sonne. Je höher wir kamen, desto schwieriger wurde es, durch den Schnee voranzukommen. Plötzlich öffnete sich der Wald und ein breites Schneefeld lag vor uns, das von zwei Verjüngungen unterbrochen wurde. Genauso sahen Flächen aus, auf denen Lawinen abgingen und Unvorsichtige
mit sich rissen. Prompt hängte sich der Steinbockbeauftragte seinen Lawinen-Sender um die Brust. Anette und ich schluckten, langsam wurde es ernst. Franz schritt zügig durch den hüfttiefen Schnee, der sich in zwei Schichten geteilt hatte. Die obere war frisch und so vom scharfen Wind komprimiert, dass sie drohte, sich abzulösen und talwärts zu rutschen. Wir blieben im Schutz der letzten Büsche, über denen nur nackte Felsen lagen. Hier waren wir zwar sicher, konnten aber auch nichts sehen. Der Wind ließ nicht nach und verschlimmerte unsere Lage von Minute zu Minute.

Ohne zu zögern

Längst war die Mittagszeit auf der Steinbockjagd in Österreich verstrichen, und mehr als ein paar Geißen waren auch hier nicht zu finden. Wir mussten eine Entscheidung treffen. Absteigen oder ausharren? Wollten wir wirklich riskieren, im immer stärker werdenden Fallwind über eine Gefahrenfläche zu gehen? War ein Steinbock es wirklich wert, Weihnachten kopfunter im Schnee steckend zu verbringen? Wir packten zusammen. Wir wollten runter von diesem Berg. Doch dann winkte Franz aufgeregt, der Bock war wieder da. Statt hangabwärts liefen wir, ohne weiter zu zögern oder zu überlegen, durch die tiefe Spur, die er bereits gezogen hatte. Man kann ein Jägerherz halt nicht mit Angst betrügen. Wir bezogen einen halbwegs sicheren Posten, von dem die Wand einzusehen war, aber der Bock war schon wieder verschwunden. Auch Martin hatte ihn aus den Augen verloren. Wenigstens ließ der Wind langsam nach. Die tiefen Minustemperaturen machten sich trotzdem bemerkbar, sobald wir wieder wartend im Schnee lagen.

Plötzlich ein brauner Bock

Dann bewegte sich auf einmal etwas links über uns. Anette hob ihr Fernglas. Sie hatte den anwechselnden Bock vor uns anderen gesehen. Seine Decke war von einem hellen Braun. 280 Meter zeigte der Entfernungsmesser, und er kam dichter. Der Steinbockbeauftragte hob den Daumen. Es war der andere reife Bock. Der Braune verhoffte und präsentierte uns den Stich. Ich wartete auf den Schuss. Nichts passierte. Er zog weiter, mittlerweile höher und wieder weiter von uns fort. Ein langer Pfiff von Franz ließ ihn jedoch erneut verhoffen. Diesmal war auch das Blatt sichtbar. Der Knall hallte von den Felsen über uns wider. Der Bock war merklich unter der Kugel zusammengefahren und flüchtete nun hangaufwärts. Anette hatte bereits repetiert, aber die Flucht blieb kurz. Nach wenigen Sprüngen knickte er hinten ein und stürzte uns rücklings entgegen. Der Schnee ließ ihn weit in unsere Richtung rutschen, bis er nur hundert Meter über uns zum Liegen kam.

© Dr. Nina Krüger
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Steinbockjagd in Österreich – überschwängliche Freude

Fast hätte ich vor Freude geschrien. Das Jagdfieber schüttelte mich beinah so sehr wie die Erlegerin selbst. Wer hätte noch an einen Erfolg gedacht, wir zumindest nicht. Noch bevor wir den Bock erreichten, hatte der Steinbockbeauftragte ihn schon in Augenschein genommen. Die Ringe an seinen Schläuchen zeigten, dass er das Reifealter mit zwölf Jahren längst überschritten hatte. Ihre Basen waren zwar massiv, aber erst die spätere Messung ergab Schlauchlängen von 85 und 84 Zentimetern – eine Trophäe mit 181 CIC-Punkten, deren Erlegungsgeschichte ihresgleichen sucht. Kein Wunder, dass Anette trotz des beschwerlichen Abstiegs über das ganze Gesicht strahlte.

Capra World Slam

Der Grand Slam Club wurde 1956 in Arizona gegründet. Darin wurden Jäger aufgenommen, die alle vier amerikanischen Wildschafarten erlegt hatten. Später wurde dies auch auf nicht amerikanische Arten erweitert. Im Vordergrund stand dabei stets die jagdliche Herausforderung, aber auch Artenschutzbemühungen zum Erhalt des Wildes. In die Liste der Jäger, die einen World Slam erreicht haben, werden solche aufgenommen, die weltweit zwölf unterschiedliche wildlebende Schaf- oder Ziegenarten bzw. Unterarten in freier Wildbahn erlegt haben, je nachdem, ob es sich um einen Capra (lat. Ziege) oder Ovis (lat. Schaf) World Slam handelt. Steigern lässt sich dies noch durch den World Slam Super, bei dem 20, 30 oder 40 Unterarten erlegt werden. Die einzige Frau, der bisher ein Super Slam 40 gelungen ist, ist Renee Snider.

© Dr. Nina Krüger
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