Jagd auf Flugwild in Schottland

Wildfowling ist in Schottland weit verbreitet, in den hiesigen Revieren dennoch nahezu unbekannt.

Die Jagd auf Flugwild in Schottland am Meer nennen die Bewohner Großbritanniens Wildfowling. Sie ist annähernd kostenlos, erstreckt sich über viele tausend Kilometer Küste und wird auf sage und schreibe zwanzig Vogelarten ausgeübt. Und: die Jagd ist schwierig, anstrengend und gefährlich. Ein JÄGER-Leser erzählt.

Frostige Jagd in Schottland

Es ist kalt, es ist nass, es ist windig. Und es ist noch stockdunkel. Ein frostig kalter Januarmorgen, nördlich von St. Andrews, an der schottischen Ostküste. Vor mir in der Dunkelheit liegt das „Eden Estuary“, eine weit ausgebuchtete Flussmündung und ideal für die Jagd auf Flugwild in Schottland. Es ist Ebbe, das Meer hat sich weit zurückgezogen. Zusammen mit meiner alten Labradorhündin „Asta“ mache ich mich auf den Weg, marschiere geradewegs in die Dunkelheit, vom Strand weg hinaus in den Schlick. Mein Ziel ist der Hauptarm des Flusses, der jetzt bei Niedrigwasser weit entfernt vom Ufer durch die Mitte des Estuarys verläuft. Das Laufen ist nervenaufreibend, immer wieder versinke ich im Schlick. Bis zu den Knien ist das kein Problem, aber wenn es noch weicher wird, muss man umdrehen.

Faszinierende Geräuschkulisse

Ich erreiche den ersten Nebenarm des Flusses, einen Priel, den ich durchquere. Die Gedanken an Steckenbleiben und Ertrinken verdränge ich, aber nicht besonders erfolgreich. Ich komme an eine Muschelbank, Miesmuscheln knirschen unter meinen Watstiefeln, hier geht es sich besser. Sehen kann ich weiterhin kaum etwas, aber die Geräuschkulisse ist einfach fantastisch: das geschwätzige Rufen der Grau- und Blessgänse, das hohe, knallende Pfeifen der Pfeifenten, das Flügelgeklingel der Schellenten, das weiche Flöten der Kricker, das unheimliche Wup-wuup der Eiderenten, der schrille Ruf des Austernfischer, das Krächzen der Raubmöwen und viele, viele Stimmen mehr.

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Ziel erreicht

Endlich erreiche ich mein Ziel, weit draußen, wo ein größerer Priel auf den Hauptkanal stößt. Ich bin nass geschwitzt trotz der Minusgrade. Von Osten schleicht das erste Grau in den Tag. Ein fauchendes Flattern, aus dem Nichts kommend, und ein Schoof Krickenten zischt auf Kniehöhe über die Muschelbank an mir vorbei. Für einen sicheren Schuss bleibt mir gar keine Zeit. Asta schaut mich fragend an, ihre dicke Rute platscht aufmunternd eine Mulde in den Schlick.  

Die Jagd des einfachen Mannes

So wie ich waren an diesem Morgen viele hundert Jäger an den vielen Flussmündungen beim Wildfowling, also der Jagd auf Flugwild in Schottland an den jeweiligen Gewässern. Die „British Association of Shooting and Conservation“ (BASC), in etwa unserem Deutschen Jagdschutzverband entsprechend, gibt die Zahl der Wasserwildjäger, der Wildfowler, mit 15.000 an. Wildfowling ist dabei viel mehr als nur die Jagd auf Enten und Gänse. Es war und ist traditionell auch die Jagd des armen Mannes, denn sie kostet (fast) nichts, und die Jagd der Revierlosen, denn sie steht jedem offen. Die Weiten des Wattenmeers und der Flussmündungen, alle Bereiche unterhalb der mittleren Hochwassermarke gehören per Gesetz der königlichen Familie.

Wildfowling in Schottland

Bis 1996 war das Wildfowling allgemein frei möglich, heute werden alle jagdlich interessanten Küstenbereiche durch sogenannte Wildfowlingclubs gepachtet. Diese, etwa 150 Stück an der Zahl, hegen das Wasserwild und verwalten und organisieren die Jagd. Sie ähneln stark unseren Angelvereinen. Weiterhin gilt die Maxime, allen Interessierten Wildfowling zu ermöglichen, und dies zu geringen Preisen. In Großbritannien benötigt man für die Jagdausübung keinen Jagdschein, aber die Jägervereinigung BASC bemüht sich intensiv und mit großer Fachkenntnis darum, auch ohne gesetzliche Verpflichtung die Ausbildung der britischen Jäger voranzutreiben. Hier kommt den Wildfowlingclubs eine zentrale Rolle zu, indem sie regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen anbieten und die weniger erfahrenen Mitglieder an die Hand nehmen. Auch ausländische Besucher werden beim Wildfowling exzellent betreut!

© Pauline v. Hardenberg

Jagd auf Flugwild in Schottland - 20 Flugwildarten

Wildfowling ist in England, Wales und Schottland vom 1. September bis zum 20. Februar möglich. Die Liste der jagdbaren Arten ist beeindruckend: zehn Entenarten, vier Gänsearten sowie sechs weitere Vögel, darunter auch echte Juwelen wie Bekassine oder Goldregenpfeifer. Den Löwenanteil der Gänsestrecke machen Grau- und Kanadagänse aus, gefolgt von Bless- und Kurzschnabelgans. Bei den Enten sind es zum einen Stock-, Schell- und Krickenten, aber vor allem auch die Pfeifenten, die fast überall in teilweise riesigen Schoofs vorkommen und eine klassische Beute der Jagd auf Flugwild in Schottland am Meer ist.

Bescheidene Beute

Aber wo wir schon von Beute sprechen – die ist beim Wildfowling meistens bescheiden. Es sind zwar oft unglaublich viele Enten und Gänse im Watt, aber auch unglaublich viel Platz. Diese Art der Entenjagd hat mit dem uns bekannten Entenstrich am Tümpel so viel gemein wie ein Dorfkick mit dem Finale in der Champions League. Draußen im Watt, an den Prielen und Wasserläufen sind die Stellen, an denen das Wasserwild auf Schussentfernung vorbeistreichen oder sogar einfallen wird, alles andere als oft offensichtlich.

Denken wie die Beute

Man muss, wie immer bei der Jagd, denken wie seine Beute: Wo bin ich sicher? Wo finde ich Äsung? Beide Hauptfaktoren werden von einer ganzen Serie Faktoren beeinflusst: Wildart, Jahreszeit, Tageszeit, Großwetterlage, Tageswetter, Windstärke und -richtung, Gezeiten, Topografie des Watts oder Schlafplätze. Vor allem die Gezeiten spielen eine große Rolle – für den Morgenstrich ist es meistens ideal, wenn vor der Morgendämmerung die Ebbe vorüber ist und das auflaufende Wasser die Äsung in flache Bereiche der Priele drückt. Wenn man jetzt noch eine Stelle findet, wo das auflaufende Wasser zwischen zwei Matschbänken vorübergehend zusammenläuft und wo sich deshalb die Äsung zeitweise auf kleinem Raum konzentriert, hat man eine heiße Stelle. Auf der Jagd auf Flugwild in Schottland gibt es jedoch wenig Deckung, nur ausreichend Matsch. Der ist dementsprechend die Deckung, man legt sich auf den Rücken flach hinein. Auch das Schießen ist eine Herausforderung, da die Enten meist schnell und weit kommen.

© Marcus Gelhard

Gefährliche Gezeiten

Sie ahnen schon, die Jagd auf Flugwild in Schottland an den Gewässern ist weniger ertragreiches Jagen als daheim am Dorftümpel. Doch diese Jagd ist extrem abwechslungsreich: Mit dem kalten Wetter kommen unzählige Zugvogelarten aus der Polarregion auf die Insel, jagdbar oder nicht. Zu guter Letzt müssen auch noch die Gefahren dieser Jagdform erwähnt werden. Auch heute noch, trotz Handy, ertrinken jedes Jahr Wildfowler, die von der Flut überrascht werden, weil sie sich nachts verlaufen, den Tidenkalender falsch gelesen haben oder im Schlick steckengeblieben sind. Auch ich habe Situationen erlebt, wo aus genervtem Gewühle im Matsch nackte Panik wurde, weil ich immer weiter im haltlosen Schlick versank, egal in welche Richtung ich meine Rettung suchte.

Jagd auf Flugwild in Schottland - Am Hauptkanal

All das ist bedeutungslose graue Theorie
an diesem Morgen am Eden Estuary im ersten Licht. Jetzt bin ich nur noch Jäger, will Beute machen. Schon sausen wieder Krickenten heran, ach und schnell. Mit dem ersten Schuss, der fehlt, spritzt der Schoof auseinander, und die kleinen Enten suchen ihr Heil in dem typischen, fast senkrechten Steigflug. Der zweite Schuss passt, und eine der Enten stürzt zu Boden. Leider fällt sie in den Hauptkanal, aber Asta schwimmt bereits hinterher – Hund und Ente treiben in der Strömung erheblich ab. Ich habe nachgeladen und liege bereits wieder flach, als Asta mit der Beute zurück ist. Ein wunderschöner Krickerpel wandert in meine Jagdtasche. Ich freue mich, Krickerpel – köstlich!

Mangelnde Reichweite

Es sind noch viele Enten mehr in der Luft, aber nichts kommt mehr in Reichweite. Dann steigert sich das Geschnatter vom Schlafplatz weiter stromauf, und mit einem Mal steigen tausend Graugänse auf und richten ihre Schnäbel gen Felder, um zum Frühstück zu fliegen. Tatsächlich streift ihre Flugroute auch meinen Standort, aber da sind sie schon viel zu hoch, die Schrote bleiben im Lauf.

© Pauline v. Hardenberg

Rostrote Deckfedern

Vom offenen Meer her höre ich dafür durch all die anderen Vogellaute hindurch einen besonderen Laut: das „Pssiu!“ der Pfeifenten. Wie ein Floß lagen etwa zwei-, dreihundert Vögel weit draußen im stillen Seitenwasser, nun sind sie aufgestiegen und streichen auf mich zu. Die vielen Augen haben natürlich mitbekommen, dass dieser Klops unter ihnen irgendwie da nicht hingehört, aber der äußere Arm des abdrehenden Schoofs ist noch in Reichweite, und der mir am nächsten streichende Pfeiferpel fällt auf meinen Schuss hinunter. Ebenfalls eine wunderschöne Ente mit dem goldenen Schopf und den rostroten Deckfedern.

Drei schmucke Erpel

Doch an diesem Morgen hat die Göttin bei der Jagd auf Flugwild in Schottland noch ein besonderes Geschenk für mich parat. Es ist bereits hell, und ein kleiner Schoof streicht auf mich zu. Das Flugbild und die Zeichnung verwirren mich, es ist keine der häufigen jagdbaren Arten. Im letzten Moment erkenne ich sie, Spießenten! Die sind jagdbar, und ich kann meinen Dusel kaum fassen, mein Schuss in letzter Sekunde trifft sogar, und wenige Augenblicke später halte ich einen prächtigen Erpel in meiner Hand. Dieser hängt heute als Präparat an meiner Wand und steht für all die Enten, Gänse, Bekassinen und Schnepfen, die ich damals im schottischen Watt erlegen durfte.

© Pauline v. Hardenberg