Auerhahnjagd in Weißrussland

Die Jagd auf den Urhahn ist an Faszination nicht zu überbieten. Nicht umsonst zählt das Auerwild zum edlen Hochwild.

Die Auerhahnjagd in Weißrussland in den weiten Wäldern ist wahrlich ein Abenteuer. Auf ein Wild, dass man hierzulande fast nur noch vom Hörensagen kennt - den Auerhahn. Das Ziel heißt Krasny Bor, ein 100.000 Hektar großes Revier im nördlichsten Zipfel von Belarus im Dreiländereck von Weißrussland, Russland und Lettland. Jagdbüro G. Kahle war vor Ort und berichtet.

Der Urhahn

Es ist 3 Uhr morgens und stockfinster. Regen prasselt in dicken Tropfen. Alles andere als ideale Voraussetzungen, um den Urhahn balzen zu hören. „Doma U vas net shansov“, sagt Hauptjagdführer Nikolai Bendelikov mit einem breiten Lachen im wettergegerbten Gesicht. „Zuhause hast Du keine Chance.“ Also geht es los. Singen wird der Hahn nach Nikolais Prophezeiung eher nicht. Es wird Glückssache werden, ihn zu finden und anzuspringen. Fast 40 Minuten geht es in rasender Fahrt sandige Pisten entlang, immer weiter hinein in die dichten Kiefern- und Birkenwälder. Die Schlaglöcher werden tiefer, die Fahrt holpriger, über eine überflutete, aus Stämmen gezimmerte Brücke hinweg bis zum Ausgangspunkt unserer abenteuerlichen Urhahn-Pirsch.

Auerhahnjagd in Weißrussland – kaum erkennbare Pfade 

Unterwegs ist Sascha zu uns gestoßen, der mein Jagdführer auf der Auerhahnjagd in Weißrussland sein wird. Er lädt eine nagelneue Beretta-Bockdoppelflinte mit 4-mm-Schrotpatronen - und dann machen wir uns schweigend auf den Weg. Schon nach wenigen Metern hat die Dunkelheit uns verschluckt. Schritt für Schritt tasten wir uns einen Sandweg entlang, dann geht es links in einen schmalen, kaum erkennbaren Pfad. Immer wieder stoppt Sascha und lauscht in die Stille, die so absolut ist, dass der eigene Herzschlag laut in den Ohren klingt. Ich halte den Atem an, um nur ja kein Geräusch zu verpassen.

© Jagdbüro G. Kahle
© Jagdbüro G. Kahle

Direkt ins Unterholz

Ab jetzt führt unser Marsch auf der Auerhahnjagd in Weißrussland direkt ins Unterholz. Die Stiefel sinken knöcheltief in den dicken Moos-Teppich ein, der das Geräusch der Schritte dämpft. Angesichts dieser vollkommenen Stille bin ich froh, mich in letzter Sekunde dafür entschieden zu haben, den raschelnden Regenmantel im Auto gelassen zu haben. Zwischen den Bäumen wird der Regen scheinbar weniger, die Aufregung lässt die nasse Kälte in den frühen Morgenstunden vergessen. Gelegentlich erinnert ein schmatzendes Saugen unter den Sohlen der Gummistiefel daran, dass andere Teile des Reviers aus Mooren bestehen, die wohl noch nie ein Mensch betreten hat.

Angespanntes Lauschen

Sascha, der mir Augen und Ohren ist, hält plötzlich inne. Sein fein geschulter Sinn vernimmt schon lange vor meinem, den Balzgesang eines Hahns. Er reicht mir die Hand, ich ergreife sie und wir beginnen den Hahn anzuspringen. In einem eigenwilligen Rhythmus bewegen wir uns zwischen den Kiefern hindurch. Ich lausche angespannt. „Tdog, tdog, tdogdtogtdodgtogtdog - tschertschiertscherier“. Es ist ein tiefer, kehliger Gesang - den ich so niemals zuvor in freier Natur gehört habe. Nach zwei tiefen Schlägen, dem Knappen, eine Folge immer schneller werdender Töne. Auf den Triller folgt wie ein Glucksen der Hauptschlag und dann ein Geräusch, als wenn Stein über Metall reibt. Dieses Schleifen ist der kurze Moment, in dem Hahn wortwörtlich blind vor Liebe ist - ein Moment, den wir nutzen, um uns vorwärts zu bewegen auf den imposanten Urhahn zu.  

© Jagdbüro G. Kahle
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Auerhahnjagd in Weißrussland – Pas-de-Deux  

Strophe um Strophe singt der Hahn, eine jede etwa sechs Sekunden lang. In einem für Außenstehende bizarr wirkenden Pas-de-Deux bewegen wir uns eine gefühlte Ewigkeit Hand in Hand durch den Wald. Der Gesang gibt unseren Rhythmus vor: Zwei Schritte vor, dann frieren wir abrupt mitten in der Bewegung ein, egal wie unbequem die Position ist. Mal auf einem Bein, mal über einem Stamm stehend. Keine Bewegung darf uns verraten.

Lauter und lauter

Das „Tdog, tdog, tdogdtogtdodgtogtdog - tschertschiertscherier“ wird lauter und lauter, wir kommen unserem Ziel immer näher. Jetzt keinen Fehler mehr machen.  Bei der Vortages-Pirsch bei idealen Wetterbedingungen war ein Hahn mit lautem Flügelschlag abgeritten, bevor wir ihn erreichen konnten, ein zweiter saß in der immer heller werden Dämmerung in zu großer Ferne und Deckung in einer Kiefer, bereit für die beginnende Bodenbalz. Ihn ungesehen zu erreichen, war unmöglich.

© Jagdbüro G. Kahle

Beschleunigter Puls

An diesem Morgen soll es gelingen. Noch zwei Sprünge. Die Augen suchen die Silhouetten der Kiefern im ersten blauen Morgenlicht ab. Da oben sitzt der Hahn, den Kopf nach oben gereckt, den Stoß breit gefächert, und singt sein Lied. Schwarz hebt sich sein Umriss vor dem Himmel ab. Vielleicht 35 Meter sind es. Sascha reicht mir die Flinte, der Puls beschleunigt. So lautlos wie möglich entsichere ich die Beretta. Ich atme tief durch, langsam, ganz langsam nehme ich den Hahn ins Visier. Dann kracht der Schuss, der Getroffene stürzt zu Boden.

”Regenhahn”  

Augenblicklich sprintet Sascha los und wirft sich auf den Hahn, um ihn zu sichern - denn schon mancher ist wieder auf die gefiederten Ständer gekommen und auf Nimmerwiedersehen in der Dunkelheit verschwunden. Ich folge, da liegt er um kurz vor 5 Uhr: mein „Regenhahn“, an den bei diesem Wetter niemand so recht geglaubt hat. Bei der Auerhahnjagd in Weißrussland kommt es eben doch immer anders als man denkt.

© Jagdbüro G. Kahle

Überschwängliche Freude

Sascha freut sich überschwänglich mit mir. „Waidmann istseleniye - Waidmannsheil.“ Der Hahn bekommt seinen letzten Bissen, meine Mütze ziert der Erlegerbruch, bevor ich  - stolz darauf, dieses ganz besondere Hochwild erbeutet zu haben - mit meinem zufrieden dreinschauenden Führer den Heimweg einschlage. Begleitet vom immer lauter werden Gesang der Vögel. Auf dem Weg zurück in die Unterkunft steht vertraut äsendes Rotwild im Morgenlicht. Ein Stück weiter treffen wir auf Hirsche, die mit dem Schieben begonnen haben. In den Baumwipfeln stimmt ein Birkhuhn sein schwirrendes Liebeslied an. Ein zweites fällt von weither ein. Die wilde ursprüngliche Landschaft mit ihrem ockergelben Sand, den silbrig schimmernden Birken und einem Flickenteppich aus gelbgrünen Moosen und blaugrauen Flechten, in der auch Bären, Wölfe, Luchse und Wisente beheimatet sind, wirkt im diffusen Aprillicht wie in einen Weichzeichner getaucht. Krasny Bor - je nach Auslegung des Wortes heißt das „Roter“ oder auch „Schöner Wald“. Treffender könnte der Name nicht sein.

Ein schöner Anblick  

Am Abend brechen wir, auf der Auerhahnjagd in Weißrussland, wieder auf ins Revier zum Schnepfenstrich. Ein braver Rehbock steht mit einer Ricke und den Vorjahres-Kitzen auf der Wiese. Aufgeschreckt durch unsere Ankunft springen sie ab. Die Wolkendecke ist im Laufe des Nachmittags aufgerissen und die untergehende Sonne taucht die verbliebenen Reste in ein spektakuläres Farbenspiel aus Lila-, Rot- und Orangetönen. Immer wieder kündigen sich die Schnepfen an. Mal mit einem Quorren, mal mit einem holen Zirpen kommen sie dicht über die Wipfel der Bäume geflogen. Doch Diana ist mir an diesem Abend nicht hold. Es will nicht gelingen und wir packen zusammen. „A moose“, flüstert Nikolai, nachdem Äste geknackt haben. Im letzten Licht machen wir die langen hellen Läufe eines Elchs aus und zücken das Fernglas. Ein schöner Anblick.

Einzigartiger Gesang

Am kommenden Morgen nutze ich noch einmal die Gelegenheit auf die Pirsch zu gehen, dieses Mal mit der Kamera. Erneut zieht es mich zum Urhahn und geführt von Nikolai erlebe ich die intensivste Balz der gesamten drei Jagdtage. Sechs Hähne singen aus den unterschiedlichsten Richtungen. Ich stehen still an einem Baum und lausche fast eine Viertelstunde lang ihrem inbrünstigen „Tdog, tdog, tdogdtogtdodgtogtdog - tschertschiertscherier“.  Ein Gesang, den ich niemals mehr vergessen werde.  

© Jagdbüro G. Kahle