Nachfolgend verrät Wildmeister und Vielführer Patrick Rath 10 Tipps zum Verhalten als Jagdgast, welche für eine erfolgreiche Jagd förderlich sind. Ob im Ausland oder in der Heimat, die genannten Tipps können immer helfen.

Mobile Jägerschaft

Die Zeiten, in denen wir Jäger ausschließlich in unseren eigenen Revieren waidwerkten, sind lange vorbei. Wir sind so mobil wie nie zuvor, und die meisten von uns nutzen die Möglichkeiten, als Jagdgast auch über den Tellerrand zu schauen, sei es im In- oder Ausland. Das Spektrum reicht dabei von der Einladung eines Jagdfreunds zur Treibjagd auf Niederwild bis hin zum langgehegten Wunsch, entgeltlich auf den Lebenshirsch zu jagen. Jagdgeschichten über solche Unternehmungen lesen sich mitunter wie ein guter Krimi. Mich haben solche Geschichten immer dann fasziniert, wenn die Erzähler auf das Drum und Dran eingegangen sind. Wie ist es dazu gekommen, dass am Ende alles funktioniert hat, und was haben die Jagdführer alles unternommen, um die Jagdgäste zufriedenzustellen? Am interessantesten fand ich als junger Waidmann die Darstellungen aus dem Ausland. Was waren das zum Teil für Vorbereitungen, und wie „unterwürfig“ sich alle Jäger gegenüber ihren Gastgebern zeigten, welche Hochachtung sie ihren Pirschführern entgegengebracht haben – fantastisch!

Lehrreiche Erfahrung

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich als Berufsjäger mit einer größeren Zahl von Jagdgästen in heimischen Revieren. Die praktische Jagdführung der Gäste liegt dabei nicht nur in meinen Händen, sondern auch in denen meines gesamten Teams. Das gibt Lesestoff für ein ganzes Buch. Es gibt eben auch bei der Jagd nichts, was es nicht gibt. Überwiegend wären die Kapitel spannend, ergreifend und humorvoll. Einige aber auch beängstigend, traurig und grotesk. Insgesamt betrachtet wären sie aber vor allem eins: lehrreich – und genau um das soll es hier gehen.

Aus Fehlern lernen

Ich habe eine Weile überlegt, zu welchem Zeitpunkt es wohl am sinnvollsten ist, über die wichtigsten Verhaltensregeln als Jagdgast zu schreiben, wenn man sich auf die Einzeljagd begibt. Jetzt, wo die Saison schon fast gelaufen ist, glaube ich den richtigen Moment gefunden zu haben. Die Fehler sind wieder gemacht, und so können wir uns getrost an die Auswertung für das kommende Jagdjahr begeben, damit der jagdliche Traum nicht zum Albtraum wird. Denn eins ist sicher, so mancher Jäger wäre deutlich erfolgreicher, würde er einige wenige Dinge anders angehen. Hier die wichtigsten der vermeidbaren Fehler auf der geführten Einzeljagd:

© Marcus Gelhard

1. Das jagdbare Wild

Natürlich ist man über das Wild, das einen täglich umgibt, am besten informiert. Doch auch nach bestandener Jägerprüfung gerät das ein oder andere in Vergessenheit. Wer auf fremde Wildarten jagen möchte, sollte sich zumindest wieder mit den Grundzügen ihrer Biologie vertraut machen. Daraus ergibt sich schon oft wie von selbst, wie man sich auf Pirsch oder Ansitz zu verhalten hat.

2. Falsche Ausrüstung

Pirsch oder Ansitz? Flachland, Mittel- oder Hochgebirge? Taube oder Hirsch? Immer wieder erleben wir, dass Gastjäger ihre Ausrüstung falsch gewählt haben, dabei liegt es meistens daran, dass nicht nachgefragt wird, was wirklich benötigt wird. Dann werden schwere Rucksäcke oder lange Lodenmäntel zur Pirsch angeschleppt, zu schwache oder zu starke Kaliber gewählt, mit denen nur einmal im Jahr geschossen wird. Wer zur Ansitzjagd mit einem Drückjagdglas oder im Hochgebirge mit Gummistiefeln auftaucht, darf sich nicht wundern, wenn sich der Erfolg gar nicht oder nur schwer einstellt. Fakt ist: Die richtige Wahl der Ausrüstung ist Grundvoraussetzung für erfolgreiches Jagen. Lieber einmal mehr beim Gastgeber nachfragen, als sich später zu ärgern.

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3. Mangelnde Schussfertigkeiten oder Physis

Während man sich für die Auslandsjagd häufig noch im Schießen auf größere Distanzen oder auf die Strapazen auf einem Pferderücken vorbereitet, gehen viele unserer Zunft die Sache in Deutschland etwas zu lax an. Gutes Schießen verlangt ständiges Üben und sollte für jeden Jäger oberste Maxime sein. Geht der obligatorische Kontrollschuss vor der Jagd, den man als Jagdgast übrigens schon von sich aus einfordern sollte, dann doch daneben, bringt der Spruch „Ich habe aber letzte Woche noch ein Stück Rehwild mit sauberem Blattschuss erlegt“ auch nichts. Erzählte Glanzleistungen spiegeln oft nur die Unsicherheit im Umgang mit der eigenen Waffe wider. Fakt ist: Sie wollen am Tag X abliefern, und nur das zählt. Dafür müssen Sie geübt und sich selber darüber im Klaren sein, was Sie obendrein noch physisch leisten können. Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Es muss nicht jeder die Fitness eines Marathonläufers haben. Es ist aber zuweilen sinnvoll, darüber nachzudenken, ob ich die ersehnte Gams wirklich erst mit 70 Jahren oder doch schon mit 40 erlegen will.

4. Fehler bei der Revierfahrt

Leise auf dem Ansitz zu verharren, ist für den Jäger selbstverständlich. Zur Jagd gehört aber auch der Weg dorthin und wieder zurück. Eine der schlimmsten Unarten ist es dabei, die Autotüren zuzuschmeißen, als wolle man mit einem Paukenschlag ankündigen, dass man angekommen ist. Türen lassen sich zudrücken, und auch Waffen lassen sich leise laden und entladen. Selbst ein rappeliger 98er muss nicht mit Getöse zugedroschen werden. Das leise Sprechen ist eine Selbstverständlichkeit.

5. Verhalten am Hochsitz

Grundsätzlich besteigt der Pirschführer als erster den Sitz. Erst nach dessen Aufforderung folgt der Gast. Das hat zum einen sicherheitstechnische Bewandtnis und zum anderen weiß er genau, wo er zuerst hinzuschauen hat. Das direkte Folgen auf der Leiter ist eine Unart und zudem gefährlich.

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6. Pirschen mit Begleiter

Wer alleine pirscht oder auf dem Weg zum Ansitz ist, kann im Grunde tun und lassen, was er will. Wird man allerdings geführt, gelten andere Regeln. Abgesehen von sicherheitsrelevanten Dingen, wie Laufmündung nach oben oder laden nur auf Anweisung, hat das Pirschen zu Zweit seine eigenen Gesetze. Es gibt unter den Gästen drei Mitpirscher. Erstens der Vorweg-Pirscher: Dieser Typ geht häufig vor dem Pirschführer, auch auf dem Rückweg eine unangenehme Eigenschaft. Ganz ehrlich, was soll das bringen? Man kennt sich nicht aus, weiß weder, wo es hingeht, noch wo mit Wild zu rechnen ist. Es ist auch der führenden Person gegenüber unhöflich, suggeriert man dieser nämlich eine gewisse Überheblichkeit. Also: Besser lassen! Zweitens der Neben-mir-Pirscher: Ganz häufig anzutreffen bei kontaktfreudigen, lustigen Jägern. Es mag zwar nett sein, sich auf der Straße über Gott und die Welt zu unterhalten, aber nebeneinander pirschen und erzählen geht nicht. Auch hier gilt: Man bekommt nicht alles mit, lenkt den Pirschführer ab, und bleibt dieser plötzlich wegen Wildkontakt stehen, zieht man auch schon an ihm vorbei, und die letzten Bewegungen versauen unter Umständen die Situation. Also: Auch besser lassen und später am Biertisch weiter plaudern! Und drittens der Nachzügler: Diese Form der Pirschbegleitung ist einer gewissen Übervorsichtigkeit geschuldet. Im Grunde hat der Gastjäger schon erkannt, dass er sich hinter seinem Pirschführer aufzuhalten hat, will aber unter gar keinen Umständen etwas falsch machen und denkt, er pirscht besser für sich allein einige Meter weiter hinten. Der Abstand zu diesem kann mitunter 30 Meter betragen. Es wird dann meist schwer, diesen Gast bei verwertbaren Möglichkeiten noch auf sich aufschließen zu lassen, ohne die Situation zu vermasseln, oder er zertrampelt sich seine Chance gleich selber, indem er unaufgefordert selbstständig aufrückt. Dabei ist es zusammengefasst ganz einfach: Pirschführer und Jagdgast gehen direkt hintereinander, ergeben eine Einheit. Sie bilden so auch fürs Wild nur eine Silhouette. Sie können sich notfalls leise über die Schulter verständigen. Das Tempo und die Bewegung legt einzig der Pirschführer fest – im Rahmen der Fähigkeiten des Gasts. Der Pirschführer gibt vor, was, wann, wie gemacht wird. Er ist das Führauge, während der Gastjäger sich unauffällig verhält.

7. Verhalten auf dem Hochsitz

Probeanschläge und das Finden der richtigen Sitzposition sollten, wenn möglich, durchgeführt werden, wenn noch kein Wild in Anblick ist. Immer wieder ist zu beobachten, dass Jagdgäste Zielübungen auf Wild, welches nicht erlegt werden soll, machen. Das gehört sich nicht! Jeder Pirschführer wird mir beipflichten, dass es ein äußerst unangenehmes Gefühl ist, wenn unaufgefordert mit der Waffe herumgefuchtelt wird. Apropos herumfuchteln, wilde Zeigefingeraktionen nach dem Motto: Da, da steht der Hirsch! machen unter Umständen alles zunichte. Wir sollten tunlichst darauf achten, dass das Wild den Hochsitz nicht mit dem Menschen und der damit verbundenen Gefahr verknüpft.

8. Verhalten beim Schuss

Anders als bei der Einzeljagd gibt auf der geführten Jagd der Begleiter ein Stück Wild zum Abschuss frei. Diese Entscheidungen sind zu respektieren und nicht anzuzweifeln. Die Schussabgabe erfolgt erst, wenn klar ist, welches Stück erlegt werden kann. Und natürlich erst, wenn ein absolut sauberer Schuss angetragen werden kann. Auch diese Situation lässt sich üben. Machen Sie den Versuch: Stellen Sie mehrere Ziele auf und lassen sich ansagen, auf welches geschossen werden soll. Ein geübter Schütze schafft es, bei idealer Auflage in unter fünf Sekunden das richtige Ziel gut zu treffen.

© Marcus Gelhard

9. Verhalten nach dem Schuss

Egal wie erfahren man auch sein mag. Als Gast überlässt man dem Pirschführer immer den Vortritt zum Anschuss oder auch zum erlegten Stück Wild, es sei denn, er überlässt es dem Jagdgast. Die Jagdführer entscheiden, wie im Falle einer Nachsuche vorzugehen ist. Natürlich muss man nicht den Duckmäuser spielen, aber Zurückhaltung bei der Empfehlung von Vorgehensweisen kommen deutlich besser an als Aufschneiderei.

10. Verhalten nach der Jagd

Es ist für Gastgeber und Gastjäger immer gut zu wissen, woran man ist. Sprechen Sie über das Ergebnis Ihrer Jagd. Führen Sie Manöverkritik durch. So können beide Seiten voneinander lernen und niemand muss gefrustet den Heimweg antreten. Fazit: Gemeinsam jagen ist am schönsten, wenn man sich gut vorbereitet in die Hände seiner erfahrenen Gastgeber begibt. Und wie so oft gilt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus.

© Marcus Gelhard