Seit Jahrhunderten reisen Jäger zum Jagen in ferne Gefilde. Vor allem der afrikanische Kontinent lockt den Auslandsjäger mit seinem für Europäer „exotischen“ Wild. Afrika-Liebhaber Gert G. v. Harling lässt die letzten 100 Jahre Revue passieren.
Die Auslandsjagd
Auslandsjagd, besonders wenn Deutsche ihrem Jagdvergnügen in anderen Ländern nachgehen, ist keine neue Erfindung. Schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts war sie in Mode. Bereits im Jahr 1909 wurde eine der bekanntesten afrikanischen Safaris, Theodore Roosevelts Exkursion in das britische Ostafrika, durchgeführt, mindestens ebenso lange gibt es auch entsprechende Vermittlungsbüros. Führend war seinerzeit Newland, Tarlton & Co. in Nairobi. Die damaligen Ausstatter trafen alle örtlichen Vorkehrungen, stellten die komplette Safari-Mannschaft aus Trägern, Spurenlesern, Camp- Personal, Köchen oder Skinnern zusammen und sorgten für den Proviant der afrikanischen Arbeiter, ohne die eine Safari unmöglich war. Vor der Einfuhr von Kraftfahrzeugen reisten die meisten Safaris zu Fuß und zu Pferd, und es waren 50, 100, bisweilen auch mehr afrikanische Begleiter beschädigt. So ist es durchaus verständlich, dass Jagdtourismus in früherer Zeit nur etwas für Gutbetuchte war, heute kann es sich fast jeder leisten. Unter dem ehemaligen Privileg für Reiche, Schöne und Adelige leidet die Auslandsjagd jedoch noch heute.
Im Wandel der Zeit
Als die ersten Europäer Safaris in Afrika durchführten, war der Wildreichtum noch immens, kaum vorstellbar, dass die riesigen Bestände einmal weniger werden könnten. Es gab so viele Wildtiere, dass der Jagdtourismus auf sie kaum Auswirkungen hatte. Gefährlich war lediglich die kommerzielle Jagd wegen des Fleischs, der Häute, des Elfenbeins, der Zähne oder des Aberglaubens. Während es heute zahlreiche, durch internationale Abkommen geschützte Arten gibt, waren solche Klassifizierungen kurz nach der Jahrhundertwende noch unbekannt. Dem Zeitgeist entsprechend spielte Tierschutz, als die ersten Safaris aufkamen, kaum eine Rolle, wohingegen er heute mit entscheidend ist. Als dann erste Jagdgesetze auch in Afrika erlassen wurden, waren weitsichtige Biologen, Zoologen und Wildhüter aus Deutschland und England daran maßgeblich beteiligt. Ihr Bestreben war eine nachhaltige Jagd, von der auch die einheimische Bevölkerung partizipierte und die örtlichen Kommunen profitierten. Auch heute noch wird Jagdtourismus weltweit nachhaltig betrieben, zu Naturschutzzwecken eingesetzt und ist zum Teil des Ökotourismus geworden.
Kein Navi, kein Telefon
Wer im Mittelalter auf Wallfahrt ging, machte vorher sein Testament. In den alten Zeiten war der Ausgang einer Safari auch ungewiss – bis zum Tag der Rückkehr. Die Welt war noch kein vernetztes, globales Dorf. Kein Navi, kein Telefon. Großwild-Safaris dauerten mitunter drei Monate und länger. Die Jäger nahmen sich Zeit, die Jagd war ein Abenteuer. Man musste Strapazen auf sich nehmen, benötigte mitunter Wochen, um per Pferd oder zu Fuß und mit Trägern in Jagdgebiete zu gelangen, in die vorher kaum jemals ein Weißer seinen Fuß gesetzt hatte. Heute werden Jagdreisen auf Großwild mit einer Dauer von nur sieben Tagen angeboten und von den Unternehmen professionell bis ins kleinste Detail organisiert. Wirkliches Abenteuer, Gefahren, Entbehrungen oder Risiken sind nicht mehr in dem Maße gefragt wie früher, werden im Normalfall ausgeschlossen.
Safaris im Wandel der Zeit - dunkel lockende Welt
Ich sammelte meine ersten Eindrücke mit Jagdgästen auf dem dunklen Kontinent in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die Zeit der alten, klassischen Safaris. „Traumland Südwest“, wie Hans-Otto Meissner es nennt, mit seinem ewig blauen Himmel, seiner kargen Landschaft und dem abwechslungsreichen Wildbestand, wo ich fast unbegrenzt jagen und die Einschränkungen in Deutschland vergessen durfte, war der Anfang einer innigen Freundschaft zu einem wunderbaren Kontinent, die sich zu einer wirklichen Liebe entwickelte. Der Zauber, mit dem mich Afrika in seiner grandiosen Schönheit und der Einmaligkeit seiner Tier- und Pflanzenwelt begeisterte, war nicht auf das Jagen beschränkt. Es ist ein Kontinent gigantischer Gegensätze zwischen bitterer Armut und Reichtum, blühenden Landschaften und kargem Lebensraum, Eile und Lethargie oder zwischen empfindlicher Kälte und glühender Hitze. Die „dunkel lockende Welt“, wie Tania Blixen Afrika nennt, hat trotz umwälzender Veränderungen nichts von ihrer Faszination verloren. Jahr für Jahr zieht es viele ausländische Nimrode zu Safaris in dieses Jagdparadies.
Der Afrikavirus
Ist es die unergründliche Weite mit ihrer unvergleichlichen Fülle verschiedener Landschaften und einer geradezu mythischen Pflanzen- und Tierwelt? Ist es das Klima, das die fröhlichen und genügsamen Menschen dort auszeichnet? Die klare, saubere Luft oder die wilde Ursprünglichkeit? Sind es die unvergesslichen Sonnenaufgänge mit atemberaubend schnellem Wechsel von tiefem Purpur über unzählige Rotabstufungen bis zum Gelb, Gold und Orange, wenn die Sonne am Horizont auf- oder untertaucht? Oder sind es die nächtlichen, fremden und doch so vertrauten Geräusche und der unendliche Sternenhimmel? Wahrscheinlich ist es alles zusammen und noch viel mehr, was mich für Afrika so begeistert. Vielen meiner Jagdgäste geht es ähnlich, sie sprechen von dem Afrikavirus, den sie nicht mehr loswerden.
Vom Vieh zum Wild
Abschüsse zu vermarkten, war vielen Farmern in Südwest damals fremd. Sie nutzten ihre Wildbestände nur als willkommene Abwechslung für den Küchenzettel der Farmangestellten. Aber auch in Afrika sind Landwirte auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Die durch Dürren, Seuchen und Hungersnöte bedrohte Viehzucht wirft für die Farmer oft nicht genug ab, um zu überleben. Etliche beschlossen daher, Jäger aus Übersee am Wildreichtum ihrer Farmen teilhaben zu lassen. Jagd ist ja seit jeher eine Form der Bodennutzung, und in Südwest-Afrika entwickelte sich kommerzielle Jagd allmählich zu einer maßgeblichen Einnahmequelle.
Risikolose Wildfarm
Grundbesitzer verkaufen ihr Vieh, weil Wildfarmen einträglicher wurden als Rinderzucht. Die Einnahmen waren kalkulierbarer und risikoloser. Autochthone Wildarten sind gegenüber Krankheiten nämlich resistenter als Vieh, verkraften Dürreperioden besser als Rinder oder Schafe, sind genügsamer, brauchen nicht zugefüttert, getränkt oder geimpft zu werden, und die Farmer erwirtschaften durch Abschussgebühren höhere Gewinne als durch Viehzucht. Nachfolgende Farmergenerationen rissen damals Zäune, die Väter oder Großväter unter Entbehrungen für die Viehzucht errichtet hatten, nieder, damit sich Wild ohne Barrieren bewegen und so natürlicher bejagt, sprich besser vermarktet werden konnte. Vergleichende Untersuchungen zwischen Vieh- und Wildhaltung belegen, dass ein naturgemäßer Wildbestand eine höhere Fleischproduktion ohne Beeinträchtigung der Weidequalität erbringt. Vieh frisst über große Gebiete den Bewuchs kahl, Pflanzengesellschaften verändern sich, und es dauert lange, bis sie sich regenerieren. Herden verschiedener Wildarten äsen selektiv bevorzugte Pflanzen, erhalten den natürlichen Bewuchs und gefährden nicht den Bestand einzelner Gräser.
Safaris im Wandel der Zeit – eigene Regeln
Die ersten Gäste kamen und waren begeistert, ohne kleinkarierte Bestimmungen, behördliche Aufsicht, nachbarlichen Neid und komplizierte Abschussrichtlinien jagen zu können. Seine Jagdgesetze bestimmte der Grundbesitzer in Namibia nämlich weitestgehend selbst, handelte nach eigenen ethischen Grundsätzen, erlegte vorrangig schwaches Wild, jagte nachhaltig, schöpfe nur den Zuwachs ab, damit genügend Wild vorhanden blieb. Unsere Kunden sollten im Zelt wohnen, weil ich annahm, sie wollten etwas Uriges, Abenteuerliches erleben, Safaris eines Selous oder Sutherlands, Bells oder Blixens oder zumindest Ruarks und Hemingways nachempfinden. Weit gefehlt! Längere Fußmärsche, spartanische Lebensweise waren nicht gefragt. Auf Telefon, Strom für den Elektrorasierer und wohlriechendes Aftershave vor den eisgekühlten Sundowner nach der Jagd wollte niemand verzichten. Die Zeiten der alten Afrikajäger, die durch Strapazen und Entbehrungen geprägt waren, sind weitestgehend vorüber.
Geschätzte Bequemlichkeit
Großwild-Safaris waren ja noch 100 Jahre früher etwas Exotisches, Risikoreiches. Viele deutsche Jäger träumten vom Jagen in fremden Ländern, ob auf Bären in Kanada, Elche in Schweden oder eben von Großwild-Safaris in Afrika. Jagen im Ausland, besonders auf dem Schwarzen Kontinent, umgab den Hauch des Abenteuers. Aber Entfernungen in einstmals abgelegene Paradiese schrumpften, Jagdvermittler boten auch für den kleinen Geldbeutel günstige Abschüsse an, das Geschäft mit Trophäenjagd boomte, auch weil in Europa Jäger mehr wurden. Es verhielt sich wie beim gewöhnlichen Tourismus. Weil im Süden Europas die Sonne mehr scheint als in Deutschland, und das Baden im warmen Wasser mehr Spaß macht, werden die Mittelmeerländer im Sommer überrannt. Appelle, Urlaub unter Wolkenhimmel sei gesünder, fruchten nicht. So ist es auch mit Reglementierungen. Man ist lieber dort, wo es weniger gibt. Wir jagten also morgens fast ausschließlich vom Farmhaus aus und tauchten abends nach der Jagd wieder ein in den gewohnten Komfort der Zivilisation. Bequemlichkeit statt urtümliches Jagen.