Im Hause Mayr-Melnhof genießt die Rehbrunft noch den Stellenwert, den sie verdient. Die österreichischen Waldbesitzer jagen seit Jahrhunderten mit großer Kenntnis und Passion auf die liebestollen Böcke. JÄGER-Autor Max Mayr-Melnhof gibt hier seine Geheimnisse preis – damit es auch bei Ihnen klappt mit einem reifen Brunftbock auf der Jagdreise.
Erfolgreiche Jagdreise zur Blattzeit auf Rehböcke
Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Jagdreise zur Blattzeit ist, dass ich Rehe im Revier habe. Diese Aussage ist bewusst etwas zynisch gehalten, denn vielerorts im In- und Ausland wird das Reh, gerade in der Forstwirtschaft, als Feind angesehen, erbarmungslos verfolgt und abgeknallt. Ich weiß, wovon ich rede, da meine Jagd in Salzburg eine lange Grenze mit den bayerischen Staatsforsten hat.
Praktische Jagdforscher
Ich hatte noch das große Glück, Herzog Albrecht von Bayern persönlich gekannt zu haben. Er war nicht nur einer der größten „praktischen“ Jagdforscher, sondern sicher auch einer der führenden Rehspezialisten. Wenn ich aber aufmerksam seine Rehpublikationen lese, so komme ich schnell zu dem Schluss, dass ich weiß, dass ich nichts weiß. Es gibt kein erkennbares Schema beim Reh. Zu oft gibt’s Ausnahmen, zu selten erkennbare Regeln. Trotzdem gibt es einige Anhaltspunkte, um die Blattjagd zu optimieren, so denke ich zumindest.
30-jährige Erfahrung
Ich gehe seit nunmehr 30 Jahren blatten, zuerst mit meinem Vater, dann mit meinem Bruder und nun seit 25 Jahren alleine bzw. mit verschiedenen Revierleitern, Berufsjägern und Freunden. Auch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem Europäischen Reh und dem Sibirischen Bock, auf welchen ich die letzten acht Jahre ebenfalls blatten durfte. Gehen wir einmal von Mitteleuropa aus: Da variieren die besten Tage zwischen dem 25. Juli und 15. August. In tieferen Lagen früher, im Hochgebirge später. Wenn man das Revier kennt, so erahnt man die Tages- und Brunftverläufe. Wenn die Böcke treiben, so sind die ersten zwei bis drei Tage des guten Springens vorbei, die Platzböcke haben ihre Geißen und sind ganz schwer von ihnen wegzulocken. Junge, revierlose Böcke, die in der Brunft mitmischen wollen, werden einem auch in dieser Zeit zustehen, aber eben nicht die erhoffen Reifen.
Ungleiches Geschlechterverhältnis
Wenn die meisten Geißen beschlagen sind und sich die Alten ein bis drei Tage ausgeruht haben, so hat man noch einmal eine große Chance auf einige gute Brunfttage. Eines der Hauptprobleme liegt auch darin, dass das Geschlechterverhältnis meist weit entfernt ist von 1:1. Der Geißenüberhang ist vielerorts zu erkennen, und es tut der Brunftjagd mit dem Blatter nicht gut, da somit die meisten Böcke vergeben sind, und das gleich mehrmals in dieser kurzen Zeit.
Perfektes Licht – Jagdreise zur Blattzeit
Ich halte wenig davon, ganz in der Früh zu blatten und im letzten Licht am Abend. Nicht weil sie da nicht springen, sondern einerseits ist es einem brunftigen Bock relativ egal, wann ich aufstehe, und andererseits passieren im schlechten Licht die meisten Fehler. Wenn man das Glück hat, einige Tage blatten gehen zu können, so wird man es kaum durchhalten, jeden Tag ab 4.00 Uhr stramm zu stehen. Nebenbei verpasst man die guten Mittagsstunden, da man sich ja auch irgendwann ausruhen muss. Alles zwischen 8.00 und 20.00 Uhr sehe ich als ideal an. Das Licht ist perfekt, und wenn ich früh genug beginne, so habe ich einen langen Jagdtag vor mir.
Beste Tarnung
Am besten ist es bei der Jagdreise zur Blattzeit, am Boden zu sitzen, nicht in einer geschlossenen Kanzel. Geißen rufen die Böcke nicht von den Bäumen herunter. Gute Aussicht haben und doch getarnt sein, ist wichtig. Man sollte den Bock vom Dunklen ins Helle locken, selber aber wiederum irgendwo im Schatten sitzen. Nicht hinterm Baum verstecken, da hat man keine Aussicht, lieber davor und dafür weniger bewegen. Die vielversprechenden Plätze sollten bekannt sein, das heißt, ich überlege mir nicht erst beim Pirschen, wo mein Platz ist, das habe ich mir vorher überlegt, und der Weg dahin sollte leise begehbar sein. Jeder Platz sollte bereits mit einer Strategie belegt sein: Wenn der Bock dort oder dort kommt, dann reagiere ich so oder so, lasse ihn reinziehen, spreche gleich an oder eben erst später, wenn er etwa durch einen Baum kurz verdeckt ist und ich mich bewegen kann. Das sind typische Erwägungen für den Erfolg. Eine zweite, kundige Person kann überaus hilfreich sein, kann aber auch sehr stören, wenn sich diese nicht zu benehmen weiß. Wenn die Böcke nicht springen wollen, dann gibt es noch die Möglichkeit, zu ihnen „nach Hause“ zu gehen, aber dazu erst später.
Allgemeine Regeln
Immer der gleiche Spruch: Wenn der Wind jagt, braucht der Jäger nicht jagen! Ansonsten habe ich keine Regeln erkennen können, egal ob Regen, leichter Nebel, kühl oder 35 Grad: die Böcke springen – oder eben nicht. Man sollte nur akribisch auf den Wind achten, vielleicht bei der Brunftjagd noch mehr als sonst, da ja der Springende oft auf wenige Meter herankommen kann, und auch, wenn er nicht passt, so will man ja nicht jeden vergrämen und ein Schreckkonzert vom Zaun brechen.
Übung macht den Meister
Ansichtssache. Wichtig ist auf alle Fälle, dass ich das Blatten nicht im Revier während der Jagdreise zur Blattzeit übe, sondern in vielen Einheiten daheim. Ich bevorzuge laute, weiche Blatter mit sanften Tönen, ebenso einen Bergstock und dürre Äste, aber auch zu diesem Trick komme ich später. Ein großer Rehkenner und Blattjagdkönner, Graf Phillip Meran, hat immer einen normalen Blatter im Mund und einen zweiten Buttolo-Blasebalg in der Achsel oder unterm Fuß. Wenn der Rehbock springt, muss er sich aufs Ansprechen und Schießen konzentrieren, kann aber mit einem leichten Druck mit Achsel oder Fuß einen Ton erzeugen, welcher den Bock meist zum Verhoffen bringt. Die Arme muss er dafür nicht mehr bewegen. Aber auch das muss geübt werden. Wenn man es kann, sehe ich den Rottumtaler Blatter als ein perfektes Instrument an. Er kann alle Töne erzeugen, laut und leise, ob Hasenklage, Geiß, Kitz oder Angstgeschrei – aber den muss man wirklich erst zu beherrschen lernen. Und: Wenn die Böcke springen wollen, kommen sie sowieso auf jedes Gequietsche! Wenn es aber heikler wird und der Bock schon älter und schlauer ist, dann ist etwas mehr Fingerspitzengefühl gefragt.
Das Blatten im Feld
Im Feld kann man ruhig von Kanzeln aus blatten. Die Übersicht ist einfach viel besser. Anwechselndes Wild bekommt weniger mit, dass die scheinbare Geiß auf mehreren Meter Höhe vom Holzgerüst lockt. Zunächst heißt es, vorsichtig hinauf auf den Hochstand und einen konzentrierten Überblick verschaffen. Sind bereits Rehe im Anblick, so habe ich in Ruhe Zeit, anzusprechen. Wenn’s dann später schnell gehen muss, weil ein Bock springt, so habe ich oft nur wenige Sekunden Zeit. Geißtöne gleichmäßig in alle Richtungen rufen – und nicht zu laut. Damit erkenne ich schon mal, ob in unmittelbarer Nähe etwas hoch wird. Wenn ja, dann müssen wir sofort aufhören und in Ruhe ansprechen. Nach den ersten etwa 20 Fiepen und keiner Reaktion werde ich lauter, blatte aber kontinuierlich weiter, auch oft einige Minuten lang. Dies hat schon mein Großvater vor 60 Jahren so praktiziert.
Umstrittene Meinungen
Warum? Schließlich widerspricht es ja der Meinung einiger Blattjagdkönner. Man beobachtet oft, dass bei lautem Blatten ein Rehbock von weit her über die Felder anwechselt. Er bekommt einen „Zug“, also er wechselt langsam, aber beständig in meine Richtung, aus Neugier, oft nicht wegen der Hochbrunft. Ansonsten würde er eh hochflüchtig auf mich zukommen. Dieser Bock verlässt aber damit oft sein Territorium. Sobald ich aufhöre, dreht er um und kehrt zurück. Ich blatte wieder, und zumeist kommt er dann auch wieder, aber ein drittes Mal tut er mir den Gefallen nicht. Dieser Fehler wird oft gemacht: Ich habe mehrere 100 Meter Sichtfeld und sehe, dass ein Bock auf mich zukommt. Er ist noch 300 bis 400 Meter entfernt, also außer Schussdistanz, und aufgeregt höre ich auf zu blatten, um ihn anzusprechen.
Variierendes Blatten
Das aber ist schwierig auf diese Entfernung. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er umdreht und weg ist. Hätte ich aber weitergeblattet, wäre er nher gekommen. Und je näher er kommt, desto leiser wird mein Blatten, er sollte es immer gerade noch gut hören. Auch blatte ich nicht immer in seine Richtung, somit wirken die Töne auch etwas anders. Böcke, welche ihre Territorien verlassen, um den Lockrufen zu folgen, sind viel anfälliger und nervöser als die Platzböcke. Nach den ersten Geißserien wird immer wieder der Sprengfiep eingestreut; „pieh, pieh, piehäää“ klingt das. Wenn Sie es aushalten, sicher zehn bis fünfzehn Minuten. Seien Sie hartnäckig, manchen Böcken muss man lästig werden, irgendwann kommen die meisten, um einmal nachzuschauen. Der Vorteil im Feld ist, dass ich gut wieder weg komme, da ich ja weitestgehend weiß, ob Wild in der Nähe ist.
Blatten während der Jagdreise zur Blattzeit im Wald
Sicher schwieriger – aber viel reizvoller als im weiten Feld. Der Platz muss gut gewählt sein, versteckt, aber mit guter Rundumsicht. Wir beziehen leise und bei gutem Wind den Stand, halten zumindest fünf Minuten still und beobachten die Umgebung. Dann leiser Geißfiep – nur wenige Male. Der Bock kann ja direkt vor uns niedergetan sein. Beginne ich zu aggressiv, kann es vorkommen, dass mich der Bock über den Haufen rennt. Er kommt so angestoben, dass weder ein Ansprechen noch ein Schießen möglich ist. Wir reagieren dann meist hektisch, schmeißen den Blatter weg, greifen übereifrig zum Gewehr, das bekommt auch der dümmste Bock mit. Er wird es sich merken („verblattet“) und die Lockrufe meiden.
Sonstige Laute
Nach ein paar kurzen, leisen Serien werden wir lauter auf der Jagdreise zur Blattzeit, und die Serien dauern länger. Dies wiederholt sich etwa fünf bis sieben Minuten lang. Dann lasse ich Pause und beginne mit Sprengfiep und Ästeknacken, dafür habe ich mir auf dem Weg ein paar dürre Zweige mitgenommen. Warum? Haben Sie schon einmal ein treibendes Pärchen im Wald gesehen, was keinen Lärm macht? Blatten Sie lauter, leiser, in verschiedene Richtungen und knacken laut. Vorteil: Sie sind authentisch. Nachteil: Wenn Sie den anwechselnden Bock übersehen, sind Sie sehr gut ortbar. Sie können und sollen am Stand im Wald ruhig Lärm machen, aber sich möglichst wenig bewegen. Das ist kein Affentheater, nein, das funktioniert wirklich!
Ein gutes Beispiel
Noch ein – manche würden sagen verrücktes – Beispiel, welches bei mir schon oft zum Erfolg geführt hat: Sie blatten bei gutem Wind. Nach längerer Zeit schreckt ein Stück Rehwild im Bestand, ändert aber nicht seinen Standort. Blatten Sie aggressiv weiter, ebenso schrecken Sie selber zurück, geben ihm also Antwort. Blatten wieder, schrecken, wenn es schreckt, und versuchen, mit Nachpirschen und vorsichtigem Standortwechsel das Stück in Anblick zu bekommen. Dies funktioniert oft, geht aber nur in übersichtlichem Gelände, also Alt- oder Stangenholz. Sie sollten genau wissen, wie es dort aussieht, wo sich das schreckende Reh aufhält, und Sie müssen es dort unbedingt sehen können. Sie brauchen eine ausgezeichnete Revierkenntnis dafür, doch am letzten Jagdtag kann man dann schon einmal so ein Risiko eingehen. Das Stück Rehwild schreckt ja nur, weil es sich nicht sicher ist. Also bestätige und unterstütze ich seine Unsicherheit, halte aber mit Blatten und Schrecken die Neugierde aufrecht. Wenn Sie so etwas machen, darf das nur wenige Minuten dauern.
Wenn der Bock vergrellt ist
Ich fahre ins Revier. Noch im Auto sitzend, entdecke ich einen suchenden Bock. Aus welchem Grund auch immer bekommt er mich mit und springt ab. In diesem Fall lautet die Devise: Mindestens zwei Stunden nicht anblatten, er muss erst einmal das Fahrzeug und den darin sitzenden Menschen vergessen. Das gilt natürlich auch für alle anderen Fälle, in denen der Bock vergrämt wurde.
Wenn der Bock sucht
Dies ist der Moment, von dem jeder Blattjäger träumt, ist doch offensichtlich, dass er willig ist. Doch zuweilen kommt uns der Wind in die Quere. Sehe ich von Weitem einen Suchenden, der mir passend erscheint, der Wind aber ungünstig ist, gehe ich wie folgt vor: Ich umgehe beziehungsweise umfahre ihn weiträumig und unbemerkt und blatte ihn anschließend sofort an.
Wenn der Bock treibt
Ein Bock treibt eine führende Geiß und ist kurz vor dem Beschlag. Selbst der Kitzruf oder das Angstgeschrei vom Kitz wird mir in dieser Situation wenig bringen. Der Geiß ist der Bock in dieser Phase der Brunft wichtiger als ihr Kitz beziehungsweise ihre Kitze. Dass es nun nichts Wichtigeres für den Bock gibt – hat er doch lange darauf hingearbeitet –, versteht sich von selbst.
Geiß und Bock sitzen
Ein Bock hat sich mit einer führenden Geiß auf der Jagdreise zur Blattzeit niedergetan. Ein Kitzfiep kann sie animieren zu kommen – der Bock wird ihr folgen. Sitzt er mit einem Schmalreh, hilft ein Kitzfiep wenig. Aber wahrscheinlich steht er auf einen aggressiven Sprengfiep zu. Er wird die Geiß alleine lassen, da sie noch nicht hochbrunftig ist und der Eindringling, der eine vermeintlich andere Ricke treibt, ihm oft wichtiger ist.
Der Falsche steht zu
Der alte, bekannte Bock wird angeblattet, es springt aber ein guter, schonungswürdiger junger. Ist dieser Bock in Ihrer Nähe und sicher kein anderer in Sichtweite, stehen Sie auf und geben sich sehr deutlich zu erkennen, auch mit Winken oder schnellen Bewegungen. Der Bock wird aller Voraussicht nach ohne zu schrecken abspringen, da er Sie ja erkannt hat. Sie können nun weiterblatten.
Dianas Kuss
Sie blatten an der Grenze von zwei oder drei Bockterritorien. An diesem Platz können also zwei oder mehr passende Böcke kommen. Der Erste springt, und Sie erlegen ihn. Verlassen Sie nicht Ihren Platz, Sie können sofort weiterblatten. Ich bin der Meinung, dass ein Weiterblatten wenige Sekunden nach dem Schuss sogar besser ist, als ein paar Minuten zu pausieren.